Arash T. Riahi überzeugt mit einem ebenso authentischen wie brisanten Flüchtlingsdrama, das einfühlsam und differenziert von Migrantenschicksalen erzählt und dabei nicht in Larmoyanz verfällt.
Eine Odyssee hat auch der in Österreich lebende, im Iran geborenen Arash T. Riahi („Exile Family Movie“) hinter sich. Sechs Jahre kämpfte er um die Realisierung seines Projekts, schrieb angeblich vierzehn Fassungen von „Ein Augenblick Freiheit“. Die Mühe und das Stehvermögen haben sich gelohnt. Bereits über 20 Preise erhielt der Filmemacher für sein anrührendes Drama weltweit und - vielleicht wichtiger - er wurde für sein Skript vom verstorbenen Sydney Pollack explizit gelobt. Eine Geschichte mit Happy End - und genau das bleibt den meisten Helden seines Films verwehrt. Dabei haben sie Anspruch drauf, denn ihr Happy End heißt schlicht Freiheit, ihr Traum ist ein Leben ohne Repression und Verfolgung.
Dafür wagen die unterschiedlichen Menschen die lebensgefährliche Flucht aus dem Iran, Hassan, seine Frau Lale und ihr gemeinsamer Sohn Kian. Viel Geld zahlen sie an Schlepper, die sie übervorteilen und so zwingen, sich zu Fuß über die Grenze in die Türkei zu kämpfen. Dabei entgehen sie nur knapp patrouillierenden Milizen, wie auch Ali und sein Kumpel Merdad, die Alis Nichte und Neffen zu deren Eltern nach Wien bringen wollen. In Ankara stranden die Flüchtlinge. Die türkische Hauptstadt entspricht Hollywoods „Casablanca“. Minus dem Hollywood-Touch, minus dem Glamour Ingrid Bergmans, dem Mut Bogarts und der Menschlichkeit von Claude Rains. Die Flüchtlinge sind hier und heute nur Opfer. Man nutzt ihre Naivität aus, ihre Sprach- und Orientierungslosigkeit. Der geldgierige Hotelier beispielsweise, bei dem die Exilanten in schäbigen Zimmern viel zu teuer unterkommen. Hier wohnen, besser hausen schon der ewig optimistische Kurde Manu (liebenswert: Fares Fares), der nur positive Nachrichten in die Heimat schickt, und der schwermütige Aktivist Abbas, der den politischen Kampf als Pflicht sieht. Hoffnung aller ist das UN-Kommissariat. Im diesem Gebäude wird entschieden, wer als Flüchtling anerkannt, wem das Recht auf eine neue Heimat, eine neue Chance eingeräumt wird. Doch bevor man überhaupt in den bewachten Komplex hineinkommt, heißt es Schlange stehen, Geduld und Demut beweisen.
Riahis Arbeit sieht man die autobiographischen Erfahrungen seines Machers an. Einen sehr genauen Blick hat er für seine geradezu tragikomischen Helden, irgendwie allesamt prototypische, schablonenhafte Figuren und dann doch wieder liebenswerte Individuen, die sich schon mal im Zimmer einen Schwan kochen, um nicht immer nur Fladenbrot essen zu müssen, die sich streiten und (ver)lieben und notfalls, um zu überleben, auch selbst betrügen und fälschen. Und weil sie so menschlich sind, so bekannt und so nachvollziehbar, wachsen sie einem alle ans Herz, allen Macken und Marotten zum Trotz. Doch nur wenige werden es in ein „sicheres“ Land schaffen, manche heimkehren, wieder andere sterben. Eine tieftraurige Geschichte, herzerwärmend und in Momenten durchaus humorvoll erzählt - den pessimistischen Zeiten zum Trotz. Bravo. geh.