Edelweißpiraten: Ein romantischer Name, der von Bergwelt und Seeräubertum kündet, vom Überleben in karger Steinlandschaft und von Rebellentum außerhalb des Gesetzes. Edelweißpiraten: So nannten sich tausende Jugendliche in den zerstörten Städten während des zweiten Weltkriegs, lose Gruppierungen, die sich an einem Edelweißastecker am Revers erkannten. In den Diskussionen um deutsche Vergangenheitsbewältigung, in der Ehrung verschiedener Widerstandsgruppen politischer, kirchlicher, militärischer oder auch studentischer Art gehen die Edelweißpiraten gerne unter sie hatten kein Gegenprogramm, keinen theoretischen Unterbau für ihre Opposition zum Naziregime. Ihr Widerstand war intuitiv und emotional, der natürliche Aufstand gegen die Elterngeneration in der Pubertät vermischte sich mit der tief empfundenen Ahnung, dass etwas nicht stimmen kann, wenn der Staat die Bevölkerung terroristisch bevormundet, wenn die Städte in Trümmern liegen.
Niko von Glasows Film ehrt den jugendlichen Widerstand, und es gelingt seinem Film, die Unsicherheit und den diffusen Oppositionsgeist der Jugendlichen genau einzufangen. Die kleinen Sorgen, die Probleme des Überlebens, die Trauer um die Gefallenen und Vermissten verknüpft der Film mit einer Bewusstwerdung, von der vagen Subversivität zum wirklichen Widerstand. Die Edelweißpiraten wirken manchmal, zu Anfang des Films, wie die Vorläufer der Halbstarken, denen die Sorgen der Eltern in den 50ern galten, eine Vorform der Jugendkultur, auch Popkultur, wie wir sie heute kennen einer wilden Prügelei, die sich die Edelweißpiraten und Hitlerjugendliche liefern, ist mit leichtem Jazz á la Django Reinhardt unterlegt, Musik, die die Edelweißpiraten immer wieder in ihren Kellerverstecken auflegen. Die Prügelei ist als nichts Ernstes inszeniert, als ein Herumbalgen unter Jugendlichen, und in dem Topshot, der die aufeinander losstürmenden Gegner zeigt, erinnert er an die Schneeballschlacht im Fliegenden Klassenzimmer, ein kleiner Schlagabtausch unter Jugendlichen, die unter anderen Umständen Freunde gewesen wären.
Immer wieder erzählt der Film in Genremustern, Widerstandsnester werden ausgeleuchtet wie die Unterschlupfe von Verbrechern in Gangsterfilmen, aus fahrenden Autos fallen Schüsse
Im Gegensatz zu dieser Leichtigkeit der Genreformeln steht der tiefe Gehalt, der Widerstand gegen ein Terrorregime, das sich in der Form der Jugendlichkeit ausdrückt, ein Widerstand, der von leichter Subversivität das Beschmieren von Wänden mit unleserlichen Parolen als Vorform der Graffitisubkultur bis zu aktiver, waffengestützter Gewalt gegen die Gestapo reicht.
Niko von Glasow lässt immer den Zwiespalt der Jugendlichen spüren, den Wunsch zu überleben und den Wunsch, sich zu widersetzen gegen einen Staat, der als falsch empfunden wird. Und weil der Widerstand der Edelweißpiraten schwankte zwischen aktivem Kampf, jugendlichem Rebellentum und dem Drang, inmitten von Trümmern zu überleben, wurden sie lange Zeit nicht als wirkliche Widerstandskämpfer gegen die Nazis anerkannt, galten lediglich als Kleinkriminelle einem der überlebenden Edelweißpiraten wurde von einem Beamten der Bundesrepublik gar bescheinigt, er habe dem Charakter des Unrechtsregimes gar nicht erkennen können, weil er nur von mittlerer Intelligenz sei. 1972 wurden die Piraten von Israel als Gerechte unter den Völkern geehrt, doch erst 2003 von Deutschland als Widerstandskämpfer anerkannt
So ist der Film nicht nur die Geschichte einer Bewusstwerdung der jungen Edelweißpiraten in den Kriegsjahren, die von kleinen Aktionen, die fast noch als grober Unfug gelten können, zum Widerstand, zur Unterstützung kämpferischer Gruppen, zu Sabotageakten, zum Plan, das Kölner Gestapo-Hauptquartier zu sprengen, schließlich zum Tod am Galgen führte. Es ist auch ein Film, der das öffentliche Bewusstsein des Widerstands im Kleinen zurechtrückt und der implizit die Trägheit der bundesrepublikanischen Mentalität kritisiert, dass man nichts habe machen können. Jean Jülich, einer der überlebenden Edelweißpiraten, erzählt die Geschichte von Karl als seine eigene, und wahrscheinlich war sie das auch.
Fazit: Jugendlicher Widerstand in zerbombten Städten: Ein großer Film vom kleinen Überleben.