Die Weisheit der Wolken: TV-Drama um eine angehende Professorin und ihren nach einer Teenager-Schwangerschaft zur Adoption freigegebenen Sohn.
Oft genug entscheiden Details darüber, ob man einen Film an sich heranlässt, ob man eine Geschichte und ihre Hauptfiguren glaubwürdig findet. In diesem Fall steht und fällt dieser Effekt mit einer einzigen Information, die Autor Martin Kluger und Regisseur Lars Becker ihrem Publikum vorenthalten. Deshalb fragt man sich die ganze Zeit, was die erfolgreiche Geophysikerin Marie Faber (Ina Weisse) bloß an dem Jungen findet, der plötzlich wie ein Stalker durch ihr Leben schleicht.
Dieser Junge stört frech ihre Vorlesung, verschafft sich unter einem Vorwand Zutritt zu ihrer Wohnung, verdrängt im Nu Maries Freund Max (Sylvester Groth). Die Liaison funktioniert aber überhaupt nicht, weil Darsteller Tobias Schenke bei weitem nicht so cool ist, wie Tom sich gibt: ein junger Bursche, der seine Träume von der Karriere als DJ für Pläne hält und den man durchaus nett finden könnte, wenn er sich nicht so aufspielen würde. Die ganze Zeit fragt man sich, was die angehende Professorin an dem kleinen Großmaul findet. Exakt zur Hälfte des Films lässt Kluger endlich die Katze aus dem Sack. Tom sucht zwar Anschluss, aber bei weitem nicht so, wie es die Konstellation nahe legt: Er ist Maries Sohn. Unversehens wandelt sich die Geschichte zum doppelten Familiendrama: Toms Adoptiveltern (Axel Prahl, Ulrike Krumbiegel) wollen den Jungen nicht verlieren, und Marie kann ihren Eltern endlich eine zwanzig Jahre alte Rechnung präsentieren; sie waren es, die ihre Tochter damals dazu gedrängt haben, den Jungen zur Adoption freizugeben, um sich nicht die Karriere zu vermasseln. Dank Manfred Zapatka und Gila von Weitershausen sind diese Szenen am überzeugendsten. Allein die Art, wie der Vater seine 36-jährige Tochter immer noch auch öffentlich „Mariechen“ nennt, sagt alles über diese Familie.
Andere Elemente sind weniger gelungen. Mitunter wirkt die Geschichte sogar, als fehlten wichtige Teile. So wissen Maries Eltern sofort, dass Tom ihr Enkel ist, als Marie ihn vorstellt. Auch Marie scheint recht früh klar zu sein, wer der junge Mann ist; ansonsten wäre kaum nachzuvollziehen, dass sie ausgerechnet kurz vor ihrer Habilitierung wegen Tom eine Vorlesung ausfallen lässt.
Sieht man mal davon ab, dass der Film die Poesie seines Titels schuldig bleibt und Becker glaubt, er könne es unbesorgt bei strahlendem Sonnenschein wolkenbruchartig regnen lassen, ist der Film wegen der fast verschwenderischen Besetzung dennoch sehenswert. Ina Weisse ist grundsätzlich großartig. Cosma Shiva Hagen hat eine hübsche Rolle als Toms Arbeitgeberin in einem Plattenladen, Groth macht eine Menge aus seinen Auftritten als verdrängter Lebensgefährte. Dramaturgisch ungemein wichtig ist der Part von Toms Adoptivvater Georg, denn er hat die Geschichte, wie nachgetragen wird, mit einem Wutausbruch überhaupt erst ins Rollen gebracht, als er Tom im Verlauf eines Streits die Wahrheit an den Kopf geworfen hat. Später will er das wieder gut machen, und Prahl spielt diese Hin- und Hergerissenheit ganz vorzüglich, zumal Georg als verkrachte Existenz ohnehin eine reizvolle Figur ist. Ansonsten aber wünscht man sich, Becker hätte den Film ähnlich konsequent auf den Punkt inszeniert wie seine „Nachtschicht“-Krimis. tpg.