Die Truman Show: Berührende TV-Satire zwischen Comedy und Drama, clever von Peter Weir inszeniert.
Stell dir vor, es ist Fernsehen, und alle wissen’s - außer dir. Jim Carrey, der sich in seinen Filmen im Grunde schon immer verhalten hat, als lebe er in seinem eigenen Cartoon-Programm, ist Tru-man Burbank: Geboren und aufgewachsen in einer Kleinstadt, die nichts als eine gigantische Ku-lisse ist, „spielt“ er unwissend die Hauptrolle in einer weltweit rund um die Uhr ausgestrahlten TV-Show. Peter Weir, der diesen cleveren Geniestreich geführt hat, verknüpft die komödianti-schen und dramatischen Elemente von „The Truman Show“ zu einem äußerst amüsanten und bewegenden Mainstreamfilm, der auf seine Weise auch an tieferen philosophischen Fragen rührt.
Ein wenig wie schon „
Und täglich grüßt das Murmeltier“ die menschliche Wahrnehmung der Welt mit den Mitteln der sophisticated comedy aufzubrechen suchte, stellt auch „The Truman Show“ einen zunächst komischen Helden in eine auf den ersten Blick perfekte Umgebung, mit der jedoch im Kern etwas nicht stimmt. In dem idyllischen Hafenstädtchen Seahaven fällt dann schon mal ein Scheinwerfer vom Himmel, Truman vor die Füße (dem später erklärt wird, ein Spaceshuttle habe beim Überfliegen des Ortes Teile verloren). Obwohl der Zuschauer von An-fang an Bescheid weiß, erzählen die ersten 45 Minuten die Geschichte zunächst aus der Sicht Trumans, nur gelegentlich unterschnitten mit Szenen der Fernsehzuschauer „draußen“ in der Welt: seine Ehe mit der ewig lächelnden Meryl, der frühe Tod des Vaters bei einem Segelturn und die daraus resultierende panische Angst Trumans vor dem Meer, seine heimliche Liebe zu der urplötzlich verschwundenen Lauren. Daß die Regie in Trumans Welt immer wieder eingreift, um mißliebige Schauspieler oder eingeschlichene Provokateure zu entfernen, erklärt sich zwar aus diesem Set-up - läßt aber andererseits auch eine Atmosphäre der schleichenden Paranoia ent-stehen, in der Truman immer mißtrauischer wird, ohne seine Zweifel und Ängste jedoch wirklich formulieren zu können. „Macht mir hier jemand etwas vor?“ fragt er schließlich und entdeckt, daß es keinen Weg hinaus gibt aus seiner seltsam sterilen Stadt.
Ist Truman erst einmal selbst auf der Suche nach den Rissen in der falschen Idylle, läßt Peter Weir auch den Zuschauer tiefer hinter die Kulissen blicken. Wir erfahren von Christof, dem Re-gisseur und Erschaffer der Show, wie er dem Waisenkind Truman „den besten Ort auf der Erde“ gab, und von jener Lauren, die in ihrer echten Liebe Truman die Wahrheit sagen wollte und des-wegen auf die Fidschi-Inseln „emigrieren“ mußte. Und so schleicht sich der tragische Tölpel Truman, dessen Sehnsucht nach Reisen und Entdeckungen schon als Kind brutal in Sackgassen gelockt und erstickt wurde, allmählich in unsere Herzen. Wenn er immer wieder vor seinem Ba-dezimmerspiegel steht, als wolle er an der unsichtbaren Wand seines Gefängnisses kratzen, und hinausruft, ob „da draußen“ irgendjemand sonst sei, wird klar, daß alles auf eine dramatische Flucht hinausläuft, die schließlich nicht mehr nur eine Frage von Freiheit oder Eingesperrtsein ist, sondern auch von Leben und Tod.
Man darf Peter Weir sicherlich unterstellen, sich bei der Namensgebung seines Helden Gedanken gemacht zu haben - denn Truman, das klingt auch nach true man, dem wahren Menschen, der sich aus dem Vakuum seiner Existenz zu befreien sucht. Dabei durchläuft er alle Stadien eines Mannes auf der Suche nach dem Gott hinter den Dingen: Zweifel, Erahnen, innere Abkehr, Flucht und schließlich der wagemutige Schritt ins Dunkle, Unbekannte. Dennoch verfällt „The Truman Show“ in keiner Minute ins Grübeln, Weir präsentiert seine Motive stets auf eine leichtherzige, höchst unterhaltsame Art und setzt beim Zuschauer dabei stillschweigend die Fä-higkeit zur Eigenreflexion voraus. Daß die heile Fernsehwelt, in der immer die Sonne scheint, ihren ganz eigenen Horror birgt, und die allmächtigen Medien-Manipulatoren (Ed Harris als gottgleicher „Mann im Mond“) ein im Grunde zutiefst grausames Spiel mit dem true man treiben, sind nur einige der Grußbotschaften, die Weir seinem Publikum mit auf den Weg gibt. Gleichzei-tig zelebriert Jim Carrey, der hier zum ersten Mal sein Potential als „ernsthafter“ Schauspieler voll ausschöpft, einen frischen, kindlichen Anarchismus, wenn er seiner Umgebung mit diversen Ausbruchsversuchen eine echte Reaktion abtrotzen will. Denn natürlich fordert er damit auch dazu auf, sich bewußt zu werden, daß jeder nicht nur der Star seines eigenen Films ist, sondern auch der Regisseur, Autor und Produzent. evo.