Philippe Loiret ist ein Film gelungen, der viel Atmosphäre hat. Ein Film, der oft zwischen den Zeilen gelesen werden muss. Viel wird nicht direkt angesprochen, muss dazugerechnet werden zu dem, was die Figuren und die Bilder erzählen. So sind auch die Charaktere. Besonders die Beziehung zwischen Antoine und Mabé spielt sich nur in Blicken ab, ihre Münder sagen oft das Gegenteil. Das, was sie in der Nacht des 14. Juli tun, während der Ehemann vom entfernten Leuchtturm ein Feuerwerk abbrennt, ist eine schnelle und unromantische Sache.
Die ganze Geschichte um Antoine, Yvon und Mabé ist durch eine Rahmenhandlung eingeklammert, die in der heutigen Zeit angesiedelt ist. Die Tochter von Mabé findet nach deren Tod ein Buch mit dem Titel Mein Ende der Welt. Auf der Vorderseite ist ein Leuchtturm abgebildet, der Le Jument sehr ähnlich sieht. Eigentlich ist sie nur hier, um das Haus zu verkaufen an Leute aus Paris, die das romantische Örtchen für sich entdeckt haben. Nachdem sie aber das Buch gelesen hat, kann für sie nichts mehr so sein wie es einmal war. Das Buch erzählt die Geschichte ihrer Eltern und eines Mannes, der eine kurze Affäre mit ihrer Mutter hatte.
Antoine hat sich für einen Ort entschieden, der nicht nur der westlichste Teil Frankreichs ist, er hat sich auch für eine doppelte Isolation entschieden: der Leuchtturm als Insel vor einer Insel. Doch dieses Ende der Welt wird als Revier verteidigt.
Die Freundschaft zwischen Antoine und Yvon ist eine ganz besondere. Gerade weil er zu Beginn der war, der die meisten Vorbehalte gegen seinen neuen Arbeitskollegen zu haben schien, steht das Verhältnis der beiden auf sicheren Füßen. Seine Zuneigung hat er ordentlich geprüft.
Antoine ist aber auch ein bemerkenswerter Charakter. Geduldig und ohne sich jemals von seinen Gefühlen überkommen zu lassen begegnet er den Anfeindungen. Selbst wenn er geschlagen wird, schlägt er nicht zurück.
Die perfekte Verkörperung des nur zu bekannten Spruches mit der zweiten Wange die man auch noch hinhalten soll, so man geschlagen wird, scheint Antoine zu sein. Er ignoriert die ständigen Angriffe auf seine Person. Bei seiner ersten Ankunft auf dem Leuchtturm wird er beim Hochseilen von den Kollegen einer Wassertaufe unterzogen. Er ist nicht böse, vielmehr hilft er, oben angekommen, sofort dabei mit Yvon hochzuziehen.
Er scheint die Ruhe in Person, der perfekte Gutmensch. Aber da muss etwas in seiner Vergangenheit liegen, was ihn zu diesem Menschen werden ließ. Seine verkrüppelte Hand und der kurze Hinweis, dass er im Algerienkrieg war, lassen vermuten, dass er dort ungeahnt Schreckliches erlebt hat.
Sprechen ihn andere Veteranen auf seine konkreten Erfahrungen an, so antwortet er knapp und alles weist darauf hin, dass ihm dieses Thema unangenehm ist.
Es ist, als ob er einfach jeglicher Gewalt abgesagt hat und weiß, dass er sich dieses Leben erst verdienen muss. Doch als er nichts mehr zu verlieren hat, wenn er weiß, dass er die Insel verlassen wird offenbart er sich mit seinen inneren Wunden und mit seiner Schuld. Dann, wenn er sich wieder nach einem neuen Platz im Leben umsehen muss.
Das was diesen Film so besonders macht, sind in erster Linie die Schauspieler, die wirklich gute Arbeit leisten, wenn sie die Zwischenmenschlichen Feinheiten und zuweilen auch Grobheiten darstellen.
Dazu kommt eine expressive Darstellung der Natur, die den Geschehnissen Unterstützung ist. Ausdruck des Unausgesprochenen. Die riesigen Wellenbrecher, die das Mauerwerk des Leuchtturms zum Einbrechen zu bringen drohen, die einsamen Schiffe, die zwar geleitet von einem Licht gefährliche Gewässer befahren, scheinen den Seelenzustand von Antoine dem Weltenwanderer widerzuspiegeln.
Eine eigentlich ganz banale Geschichte über eine unerfüllte Liebe und den Überlebenskampf in widrigen Umständen erzählt in einer ungewöhnlichen Variation.
Fazit: Sinnreiches Drama mit beeindruckender Naturkulisse und einem hervorragenden Schauspielerensemble. Und mit einer Handlung die auf Kombinationsfähigkeit des Publikums baut.