Manchmal scheitert ein Debütfilm auf hohem Niveau. Nämlich beispielsweise dann, wenn der Film einfach aus mangelnder Erfahrung des Filmemachers den Verständnishorizont seines Publikums überschätzt. Wenn also Dinge geschehen, die für den Zuschauer schlicht nicht einzuordnen sind, wo die Motivation ganz im Dunkeln bleibt, wo sich kein Kontakt zwischen Leinwand und Zuschauerraum herstellt.
Lola Randl erzählt von Entfremdung, von Verstörung, die für die Protagonistin ihr eigenes Leben bedeutet. Man kann, ja, vielleicht sollte man eine solche Atmosphäre des Verlorenseins in der Alltagsroutine spürbar machen, indem Dinge ungesagt bleiben, indem Ausbrüche aus dem Leben als wirklich unverständliche spontane Impulse der Figuren gezeigt werden. Randl aber übertreibt dieses Konzept der Informationsvorenthaltung; ihr Porträt von Agnes bleibt also fragmentarisch, auch wenn sich das spürt man im Kopf der Debütfilmerin ein vollständiges Bild des Geschehens findet. Doch an der Vermittlung zum Zuschauer scheitert sie.
Zunächst geschieht gar nichts; keine Handlung. Nur Sein oder Nicht-Sein der Hauptfigur Agnes, die eine Besucherin in ihrem eigenen Leben zu sein scheint, innerlich am Alltag verzweifelnd, äußerlich nur noch eine Fassade. Unnahbar, abgekoppelt lebt sie isoliert neben Mann und Tochter ob die Gründe für diese Existenz, die kein Leben mehr ist, in ihr selbst oder in der Umwelt zu suchen sind, lässt der Film offen. Als Agnes von ihrer chaotischen Schwester Karola einen Schlüssel für eine Wohnung bekommt, in der Blumen zu gießen sind, eine Verantwortung, die Karola einfach so auf Agnes überträgt, weitet sich plötzlich Agnes Bewegungsraum. Sie erobert tastend die leere Wohnung, die wohl Bekannten der Schwester gehört (auch das bleibt stets unklar), und langsam kommt sie dem Geheimnis ihrer Bewohner auf die Spur: offensichtlich war die Frau ihrem Geliebten nach Portugal nachgereist und dort bei einem Verkehrsunfall umgekommen.
Damit beginnt so etwas wie filmische Handlung, die freilich nie in ihrer Motivation erläutert wird. Agnes legt sich ins fremde Bett, ein Mann kommt und begattet sie: offenbar das erste Mal seit Jahren, dass Lust durch Agnes Körper strömt. Jedenfalls ist damit eine Art Liebesgeschichte besiegelt zwischen den beiden, die sich nicht kennen: sie bekommt einen neuen Impuls fürs festgefahrene Leben, er, Bruno, kann seine Trauer abarbeiten über den Verlust seiner Frau erst an einen anderen Mann, dann an den Tod. Überhaupt ist Bruno, gespielt von André Jung, in seiner Lässigkeit durchaus cool, wenn auch ganz von Trauer eingehüllt und der interessanteste Charakter des Films. Die Lockerheit seiner Darstellung macht plausibel, warum er eine Fremde beschläft, ohne etwas zu fragen. Geheimnis umgibt ihn, und der Zuschauer akzeptiert für die Figur Bruno diese Aura auch.
Traurigkeit steht nach wie vor im Mittelpunkt doch eine Traurigkeit, die Bewegung in Agnes Leben bringt, die auch ihren Mann dazu bringt, die Trennung voranzutreiben er kann verständlicherweise nicht mehr mit einer spröden, geistig wie zumeist auch körperlich abwesenden Frau leben.
Eine fremde Wohnung als Befreiung aus einem Leben, das man nicht mehr aushält: dieses Topos der Verlorenheit reicht nicht aus, um die Beklemmung der Figuren auf den Zuschauer zu übertragen. Zu sehr bleibt Randl im Ungefähren, auch mal im Prätentiösen; auch wenn die Plötzlichkeit, die Unerklärlichkeit ein durchgehendes Stilmittel ist, fast ein Leitmotiv: zu Beginn fällt ein Toter aus dem Nichts vor Agnes Auto, am Ende steht Polizei vor dem Nachbarhaus, was geschehen ist, bleibt unklar. Nur einmal wird der Film konkret: wenn Bruno einen wunderbar blöden Witz erzählt, um die Trauer wegzublasen.
Fazit: Ein Film über Verlorenheit, Entfremdung, Trauer; der aber scheitert an der Vermittlung zum Zuschauer, weil er zu spröde, zu handlungs- und motivationsarm daherkommt.