Der Himmel hat vier Ecken: Dreiecksgeschichte, Boxerkrimi, Milieustudie, Coming-of- Age-Story und Scheidungsdrama mixt Klaus Wirbitzky in seinem Regiedebüt.
Ein trister Hamburger Hinterhof ist für Kinodebütant Klaus Wirbitzky Ausgangspunkt für ein skurriles Konglomerat aus Boxerkrimi, Coming-of-Age-Story und Scheidungsdrama.
„Wo geht’s lang? - ich weiß es nicht“ - diese Textzeile eines Songs aus „Der Himmel hat vier Ecken“ ist bezeichnend für einen Film, der sich im Kern mit der Ziel- und Orientierungslosigkeit von pubertierenden Jugendlichen auseinandersetzt. Weil aber (zu) viele Nebenschauplätze eröffnet und Nebenfiguren eingeführt werden, wird die eigentliche Aussage des ambitionierten Dramas mit fortschreitender Handlung mehr und mehr verwässert. In seinem Kinodebüt entführt Klaus Wirbitzky, versierter Regisseur von Kinder- und Jugend-TV-Formaten wie die Krimiserie „Die Pfefferkörner“ oder dem Klassiker „Sesamstraße“, in einen schäbigen Hinterhof, der, wenn man nach oben blickt, lediglich ein kleines Quadrat des Hamburger Himmels freigibt. In diesem tristen Ambiente soll der 13-jährige Joschi (Moritz Jahn) nach der Trennung seiner Eltern ein neues Zuhause finden. Leichter gesagt als getan. Denn zum einen ist Joschi nicht gerade mit viel Selbstbewusstsein gesegnet, zum anderen machen die meisten Mieter alles andere als einen vertrauenswürdigen Eindruck - allen voran ein hinkender Hausmeister, der alles verbietet. Erst als Joschi mit dem etwa gleichaltrigen, aus Kasachstan stammenden Niko Freundschaft schließt, scheint sich der Junge zu akklimatisieren. Doch schon bald treibt die schöne Jessica (Sophie Schirmer) einen Keil zwischen die Kumpels.
Diese Dreiecksgeschichte verlässt Wirbitzky im Laufe des Films, um sich auf Nikos Schwester Tatjana, gespielt von Susianna Kentikian, Weltmeisterin im Fliegengewicht, zu konzentrieren. Tatjana ist eine talentierte Boxerin, die in ihrem Sport unbedingt Karriere machen will, um sich und ihrer Familie ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch ausgerechnet ihren ersten wichtigen Kampf soll sie absichtlich verlieren, weil es ihr korrupter Manager so will. Niko hat zufällig mitbekommen, dass der Sieg seiner Schwester verkauft wurde und setzt nun alles daran, die „Ehre“ seiner Familie zu retten.
Boxerkrimi und Milieustudie, Coming-of-Age-Story und Scheidungsdrama - Wirbitzky packt unglaublich viel in einen einzigen Film und räsoniert darüber hinaus auch über Alkoholsucht, Ausländerfeindlichkeit und mannigfaltige Probleme der Psyche. Dabei kann er zwar auf eine ganze Reihe gestandener Schauspieler wie Charly Hübner als überforderter allein erziehender Vater, Doris Kunstmann als verständnisvolle Kleinkinobesitzerin oder Lisa Maria Potthoff als seelisch angeschlagener Schöngeist zurückgreifen, die einzelnen Protagonisten finden jedoch nur selten Bindung zueinander und ihre Dialoge (insbesondere der Jugendlichen) wirken hölzern. Die Traumsequenzen von Joschi sind zuweilen ganz witzig und originell - etwa wenn der von Udo Kier gespielte Vampir Graf Karpatowicz von der Leinwand in den Kinosaal herabsteigt, leiden aber an der budgetbedingt nicht ganz gelungenen technischen Umsetzung. „Im Film ist alles möglich“, heißt es einmal ganz richtig. Doch nicht alles funktioniert in einem Film, der laut Pressetext „für Mädchen, Jungs und die ganze Familie“ gedacht ist. lasso.