Shuji liebt Filme, und ganz offenbar tut dies auch Regisseur Amir Naderi, der mit Shuji eine Art Alter Ego-Figur geschaffen hat. Wenn Shuji durch die Straßen von Tokio zieht und per Megaphon gegen die künstliche Blockbusterkultur wettert, gegen all die austauschbaren Plastikfilme, mit denen die Multiplexe gefüttert werden; oder wenn er, als Teil eines Filmprojekts, sich selbst aufnimmt an den Gräbern der Großen des japanischen Kinos und Kurosawa, Mizocuhi, Ozu buchstäblich anbetet: Dann spricht er natürlich im Namen seines Regisseurs. Der, gebürtiger Iraner und seit 25 Jahren in den USA ansässig, verbeugt sich mit diesem Film seinem ersten auf japanischem Boden vor den Klassikern insbesondere des Fernost-Kinos.
Shuji veranstaltet Filmklub-Vorführungen japanischer und internationaler Klassiker und das ist der erste Denkfehler des Films, dass er das larmoyante Gejammer um den Verlust der Filmkultur, das Shuji im Dauerzustand von sich gibt, vollauf unterstützt und dabei doch eine vollbesetzte Dachterrasse bei den Klassikervorführungen zeigt. Dutzende Zuschauer bei Stummfilmen ohne Begleitmusik: So schlecht kann es doch, objektiv betrachtet, nicht um das Interesse an Kultur und Kino bestellt sein.
Der zweite Denkfehler: Dass Naderi zwar weiß, dass ein Film in reiner Agitationsrhetorik nicht funktioniert, dass er diesem aber eine so willkürliche Handlung hinzufügt. Shuji nämlich soll für einen Yakuzaboss die Schulden abbezahlen, die dessen Bruder hinterlassen hat. Er verfällt auf eine Geschäftsidee: Sich von reichen Rüpeln zusammenschlagen lassen, jeder Schlag kostet 8.000 Yen. Einerseits verfällt Naderis Cut damit in eine Blut- und Fight-Motivik, die durchaus den verteufelten Blockbustern eigen sein könnte von Fight Club bis 300, nur ohne CGI-Effekte , andererseits zieht er aber auch die dadurch entstehende Genre-Affinität nicht voll durch: weil es eben nur darum geht, dass er verprügelt wird, und nicht um das Zurückschlagen. Wirkliche Handlung kann sich so nicht ergeben, trotz all der Prügelaction die deshalb beliebig wirkt.
Dieses Verprügeln übrigens wird dann wieder zurückgeschlossen auf die Prämisse des Kulturpessimistischen: Shuji hält die Schläge aus, indem er an seine Filmvorführungen denkt, wann welcher Film vor wievielen Zuschauern gespielt wurde. Und damit wird die Metapher dann auch noch aufdringlich: Dass hier einer sich einer Leidenschaft hingibt, die ihm nur Leiden verschafft, die er willentlich in Kauf nimmt: Kunstwollen und Selbstqual sind untrennbar verbunden; also schon wieder die Weinerlichkeit Shujis (und Naderis), die beklagen, wie toll früher das Kino war, und wie schlimm der jetzige Zustand sei. Cut, der Filmtitel, bezieht sich angeblich auch auf eine Aussage Naderis: Cut the bullshit out of todays cinema.
Das ist der dritte und finale Denkfehler: Dass das gesamte frühere Kino apodiktisch als besser und reichhaltiger angesehen wird. Damals gabs genausoviel Schund, genausoviel Dutzendware. Nur dass daran heute keiner mehr denkt, weil diese Filme es nun mal an sich haben, schnell vergessen zu sein. Während wir den gegenwärtigen Filmmist stets um die Ohren haben, und erst in fünf, zehn Jahren sich das Bild klären wird, was vom Kino heute die Zeit überdauern wird.
Das Finale von Cut ist das Beste des Films. In einem großen Schlagmarathon lässt sich Shuji für seine Top 100-Liste der Filmgeschichte 100mal prügeln, eine Orgie der Schläge und Filme von Frederick Wisemans Welfare bis, natürlich, Citizen Kane. Diese Sequenz als schlagkräftiger Kurzfilm: Das hätte gereicht.
Fazit: Ein larmoyanter, agitatorischer Film, der vehement für die Filmkunst plädiert aber den Bogen so überspannt, dass er genauso schnell vergessen werden sollte wie der kommerzielle Mainstream-Mist der Multiplexe, an denen er sich so schlagkräftig abarbeitet.