Von der Weite der unbesiedelten Natur seines Erfolgsfilms Frühling, Sommer, Herbst, Winter...und Frühling begibt sich der koreanische Regisseur Kim Ki-duk mit Bin Jip nun in die Begrenztheit von Innenräumen. Es geht ihm vor allem um das Innen der Figuren, um Identität und deren Auflösung im Verwischen des Verhältnisses Traum-Wirklichkeit. Die stumme Ruhe der Bilder, die schon Frühling, Sommer, Herbst, Winter...und Frühling prägte, behält er bei.
Kein Wort kommt über ihre Lippen der Protagonisten, sie entziehen sich der Welt und leben in stiller Übereinkunft. Beide sind sie Heimatlose, die in den warmen Räumen anderer kurzzeitige Geborgenheit finden. Ihre Liebe hat nichts Romantisches, sondern sie entfaltet sich mit der unbedingten Selbstverständlichkeit einer Lebensnotwendigkeit. Bin Jip ist die Liebesgeschichte zweier einsamer, unerklärlich trauriger Menschen.
Tae-Suk ist ein Streuner, scheinbar ohne Familie oder Wohnung, der sich als ein Tourist durch das Leben anderer bewegt. Mit seinem Fotoapparat nimmt er sich neben den fremden Familienbildern auf, als gehöre er dazu. Die Beweggründe seines seltsamen Hobbys sind genauso wenig klar, wie Sun-hwas plötzliche Entscheidung, sich ihm anzuschließen. Der Zuschauer steht den Charakteren mit einer Mischung aus skeptischer Distanz und verblüffter Neugier gegenüber, wenn sich in immer seltsamere Vorgänge verwickeln.
Eingefroren in stummer, bleicher Bewegungslosigkeit unterscheidet Sun-hwa sich zu Beginn des Films kaum von den Schwarz-Weiß-Fotographien von ihr, welche die Wände ihrer Wohnung pflastern. Ihr ängstliches, verschlossenes Gesicht korrespondiert mit dem harten, versteinerten Ausdruck Tae-Suks. Beide tragen sie Masken, die ihre Gefühle verstecken und die sie durch ihre Liebe zueinander ablegen lernen.
Ein motivisch immer wieder auftauchendes arabisches, wehmütiges Liebeslied untermalt die entrückte, melancholische, fast surrealistische Stimmung des Films.
Es ist ein Film über die Revolution der Stille. Durch Tae-Suk, der sich mit seinem stoischem Willen in der Haft wortlos auflehnt, lernt Sun-hwa mit der Zeit, sich gegenüber ihrem gewalttätigen Mann stumm zu behaupten. Beide werden in ihrer Geräuschlosigkeit zum Ende hin immer mehr zu Geistern. Sun-hwa sucht wie ein Gespenst die Einwohner der Wohnungen heim, in die sie zuvor mit Tae-Suk eingebrochen war. Und als Tae-Suk am Ende aus dem Gefängnis entlassen wird, zieht er in Sun-hwas Wohnung ein, ohne von ihrem Mann wahrgenommen zu werden.
Its hard to tell the world we live in is either reality or a dream, gibt uns der Film mit auf den Heimweg. Im letzten Bild sehen wir Tae-Suk und Sun-hwa gemeinsam auf einer Waage stehen, die Null Kilogramm anzeigt. Hat ihre Liebe sie der Welt enthoben und sie zu körperlosen Geistern gemacht? Sind sie beide nur ein Produkt der Imagination und wessen? Denkt sich Sun-hwa ihren Tae-Suk nur aus, weil sie so einsam ist? Oder Umgekehrt? Der Film lässt viele Fragen offen, deren Beantwortung letztendlich auch gar nicht von Bedeutung ist. Denn dieses bizarre Traumspiel, dieser hypnotische Bilderfluss genügt sich völlig selbst in seiner stillen Schönheit.
Fazit: Ungewöhnlicher, melancholischer Liebestraum voller hypnotischer Bilder