Gut 50 miteinander verwobene Filme und Serien umfasst das Marvel Cinematic Universe (MCU) inzwischen, was den Verantwortlichen so schnell niemand nachmacht. Angesichts dieser Fülle gibt es reichlich Potential für Missverständnisse. Mit einigen der populärsten, die das MCU begleiten, wollen wir an dieser Stelle aufräumen.
Alle Filme sind immer gleich
Das ist der wohl gängigste Vorwurf gegen das MCU und in einigen Punkten trifft er sogar zu. Die Marvel-Filme halten sich meist strikt an die Drei-Akt-Struktur und reichlich Humor spielt meist eine Rolle. Darüber hinaus schaffen es die Verantwortlichen aber immer wieder auf kreative Weise, mit all ihren Superheld*innen-Filmen für Abwechslung zu sorgen, indem sie neue Genres in den Mixer werfen.
Beispielsweise in Phase 3 wurde dies deutlich: „Black Panther“ war quasi ein Bond-Film, der zudem einige interessante soziale Fragen aufwarf. „Spider-Man: Homecoming“ war im Gegensatz dazu wiederum eine High-School-Komödie und „Avengers: Infinity War“ gab sich keine Mühe mehr, als eigenständiger Film zu funktionieren, womit das volle Potenzial des MCU genutzt wurde.
Groot ist nicht gestorben
Nachdem Groot sein Leben für die Bande in „Guardians of the Galaxy“ geopfert hatte, war die Trauer verständlicherweise groß – zumindest vorerst. Rocket nahm aus den Überresten einen Setzling mit, pflanzte ihn ein und ein kleiner Groot tanzte sich schon wieder fröhlich durch den Abspann. In „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ lernten wir dann Baby-Groot kennen und in „Avengers: Infinity War“ war ein anstrengender Teenager-Groot zu sehen, der in „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ größer geworden war als je zuvor.
Die meisten denken vermutlich, dass all diese Groots ein und derselbe sind. Laut „Guardians of the Galaxy“-Regisseur James Gunn stimmt das aber nicht! Groot ist tatsächlich im ersten Film gestorben, Baby-Groot ist quasi sein Nachfahre oder Sohn. Wer also „Guardians of the Galaxy“ mehrmals gesehen hat und sich beim Tod von Groot dachte: „So schlimm ist es ja nicht, er kommt ja direkt wieder“, nein… tut er nicht…
Das Zeitreisen in „Avengers: Endgame“ ergibt keinen Sinn
Für seine Zeitreise hat der vierte „Avengers“-Film eine vermeintlich leichte Regel aufgestellt: Wenn etwas in der Vergangenheit verändert wird, verändert das nicht die eigene Zukunft. Vielmehr wird eine neue, alternative Zeitlinie etabliert. Wenn die MCU-Held*innen also in ihre Zeit in der Zukunft zurückkehren, hat sich dort nichts verändert, selbst wenn sie massiv in die Abläufe der Geschichte eingegriffen haben. Viele Zuschauer*innen verwirrte dieser Ansatz jedoch enorm, anderen Zeitreisefilmen wie „Zurück in die Zukunft“ sei Dank. Nicht ohne Grund fragte Ant-Man, ob gerade dieses populäre Beispiel ein Haufen Schwachsinn sei.
Dennoch beschwerten sich einige, dass die spätere Szene mit den zwei Nebulas keinen Sinn ergeben würde. Schließlich müsste sich doch die uns bekannte Nebula auflösen, wenn sie ihr Ich aus der Vergangenheit erschießt. Dabei hatte sich „Endgame“ so viel Mühe gegeben, zu betonen, dass Zeitreisen so eben nicht funktionieren…
Das Ende von „Avengers: Endgame“ ergibt keinen Sinn
Für noch mehr Verwirrung sorgte das Ende des Films mit Captain America und das durchaus zu Recht. Die Regisseure mussten sich schließlich nach dem Film hinstellen und erklären, was genau bei Caps Reise durch die Zeit am Ende zu Peggy Carter passiert ist. Nachdem Steve Rogers die Infinity-Steine und Thors Hammer Mjölnir zurückgebracht hatte, reiste er weiter zu Peggy Carter in die 1940er-Jahre. Damit erschuf er jedoch eben eine alternative Zeitlinie, in der Steve und Peggy wohl viele Jahrzehnte glücklich miteinander verheiratet waren.
Im hohen Alter reiste dann Steve Rogers wiederum von diesem alternativen Universum wieder zur Haupt-Zeitlinie des MCU zurück, aus dem er eigentlich kam. Da konnte er dann seinen Schild an Falcon alias Sam Wilson übergeben und sich gebührend verabschieden. Diese ganzen Reisen zwischen den verschiedenen Universen wurden aber eben nicht gezeigt, was für Missverständnisse sorgte.
Um die Verwirrung perfekt zu machen, haben die Autoren von „Endgame“ wiederum behauptet, Steve Rogers hätte nicht die ganze Zeit über in einem alternativen Universum gelebt, sondern eben in der Vergangenheit der MCU-Zeitlinie, die wir kennen. Er wäre laut ihnen auch der mysteriöse Ehemann von Peggy Carter, von dem wir schon in vorherigen Filmen gehört, den wir aber nie gesehen haben.
Laut den eigenen Regeln kann das allerdings nicht funktionieren. Zeitschleifen sind im MCU nicht möglich, da eben ein neues Universum gebildet wird, sobald man etwas in der Vergangenheit ändert. Entsprechend ist die Erklärung der Regisseure die einzig logische Alternative.
Das MCU ist seit „Avengers: Endgame“ eine Katastrophe
Seit dem größten Hit läuft es für die erfolgreichste Kinoreihe aller Zeiten nicht mehr rund. Etliche neigen deswegen zur Pauschalisierung, dass das MCU seit „Endgame“ nur noch Müll produziert habe. Das stimmt allerdings nicht, wenn man sich die Reaktionen auf die einzelnen Titel ansieht.
Neben einigen Flops gibt es schließlich weiterhin gefeierte Filme mit „Spider-Man: No Way Home“, „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ sowie „Deadpool & Wolverine“. Großen Zuspruchs erfreuten sich auch „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ und zuletzt „Thunderbolts*“. Bei den Serien überzeugten „WandaVision“, „Loki“, „Hawkeye“ und „Agatha All Along“ einen Großteil der Fangemeinde.
Ja: Die Anzahl der Fehlgriffe ist im Vergleich zu früher deutlich angestiegen und das MCU hat erstmals auch mit echten Flops zu kämpfen. Doch der Aussage, dass alle Titel seit „Endgame“ schrecklich waren, würde wohl kein Fan zustimmen.
Außer Loki sind alle Bösewichte langweilig
Etliche Gegenspieler*innen im MCU sind leider tatsächlich schrecklich eindimensional. Es gibt jedoch über Loki hinaus einige spannende Bösewicht*innen, die die Marvel-Werke hervorgebracht haben. Killmonger in „Black Panther“ verglichen viele aufgrund seiner radikalen, aber nachvollziehbaren Ansichten mit dem gefeierten Joker aus „The Dark Knight“.
Thanos entwickelte sich quasi mit einem Film auch zu einem Lieblingsbösewicht für viele. Und Adrian Toomes aus „Spider-Man: Homecoming“ war wiederum gefühlt ein einfacher Mann von der Straße, der es mit den Großen aufnahm, wodurch viele seine Motive verstehen konnten, auch wenn sie seine Praktiken nicht teilten.
Kein Tod ist konsequent
Genau wie die Comics wirft man auch den Marvel-Filmen gerne vor, die Bedeutung von Toden stets zu untergraben. Nick Fury, Bucky Barnes, selbst Schurken wie Arnim Zola und Red Skull kehrten noch einmal auf die eine oder andere Art zurück. Dennoch gibt es einige Tode, mit denen die Charaktere und die Fans leben müssen: Natasha Romanoff, Tony Stark, Yondu, Königin Ramonda und Odin sind einige wichtige Charaktere, die (bislang) tot geblieben sind.
Zwar brachte „Avengers: Endgame“ die meisten der weggeschnippten Figuren zurück, doch Loki, Heimdall, Gamora und Vision sind tatsächlich gestorben. Loki und Gamora wurden durch die Zeitreisen in „Endgame“ zwar eine MCU-Zukunft beschert, es handelt sich hier aber eben um andere Versionen ihrer Charaktere, womit ihre Tode letztlich doch Konsequenzen haben.
Und auch wenn Vision auf eine gewisse Art durch „WandaVision“ wieder ins MCU zurückkehrte, handelt es sich eben vorerst nicht um das Original; zumal sich die Serie auf gekonnte Art genau mit dem Verlust beschäftigte. Konsequenzen haben die Tode also doch, selbst wenn das MCU sie rückgängig macht oder die Zeit umkehren muss, um verstorbene Figuren zurückzuholen.
Bruce Banner konnte den Hulk schon vor „Endgame“ kontrollieren
Als Bruce Banner in „Marvel’s The Avengers“ seinen großen Auftritt hat, entfesselt er den Hulk nach den Worten: „Das ist mein Geheimnis. Ich bin immer wütend.“ Viele glaubten deswegen seitdem, dass Banner den Hulk völlig unter Kontrolle habe. Zahlreiche Beispiele zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. In der Fortsetzung „Avengers: Age of Ultron“ rastet der Hulk beispielsweise aus, nachdem ihn Wanda Maximoff verzaubert hat. Zudem sperrte der Hulk Bruce Banner quasi ein, indem er für mehrere Jahre die Kontrolle übernahm, wie wir in „Thor: Tag der Entscheidung“ erfahren haben.
In „Avengers: Infinity War“ wiederum wollte der Hulk nicht kämpfen, obwohl Bruce Banner dies verlangte. Von vollständiger Kontrolle des Hulks kann bei Bruce Banner also erst seit „Avengers: Endgame“ die Rede sein. Die beiden fusionierten dort zur gemeinsamen Figur, die gemeinhin als Professor Hulk oder Smart Hulk bezeichnet wird. Diese vereint das Beste beider Welten, was aber nur möglich war, weil Hulk und Banner sich nach dem Chaos in „Infinity War“ ausgesprochen und ihre Differenzen endgültig beigelegt haben.
Disney hat keine Lust auf einen neuen Hulk-Film
Wo wir gerade bei dem grünen Wüterich sind: Vor „Marvel’s The Avengers“ erhielt der Muskelprotz mit „Der unglaubliche Hulk“ noch einen Solo-Film, damals wurde er von Edward Norton gespielt. Dabei blieb es bislang allerdings. Da „Der unglaubliche Hulk“ zu den weniger erfolgreichen Filmen des MCU gehört, könnte man denken, dass Disney deswegen auf eine Fortsetzung verzichtet habe. Das stimmt allerdings nicht.
Es scheitert vielmehr an den fehlenden Lizenzen. Die Vertriebsrechte für einen Hulk-Solo-Film hat tatsächlich immer noch Universal inne. Da Disney den lukrativen Kuchen nicht teilen möchte, benutzen sie den Hulk weiterhin nur in Kombination mit anderen Superheld*innen, was sie rechtlich dürfen.
Bucky hätte der neue Captain America werden sollen und nicht Falcon
Einige Fans waren verblüfft, als Steve Rogers seinen berühmten Schild an Falcon weitergab und nicht an Bucky Barnes. Immerhin ist der sein bester Freund und hat zudem das Super-Soldaten-Serum in sich, womit er über dieselben Superkräfte wie Rogers verfügt. Was dabei aber gerne vergessen wird: Bucky hat einiges durchgemacht.
Im Zweiten Weltkrieg war er das Opfer von Experimenten durch HYDRA, die ihn später als Mordinstrument missbrauchten. In „The First Avenger: Civil War“ sorgte er weiterhin unfreiwillig für Chaos, weil er manipulierbar war. Zwar wurde Bucky in Wakanda anscheinend geheilt, doch wollte Steve Rogers seinem Freund nach all dieser Zeit des Schreckens nicht auch noch die Bürde auferlegen, dem Titel als neuer Captain America gerecht sein zu müssen.
Sam Wilson alias Falcon hat sich derweil als guter Freund mit einem aufrechten Charakter bewiesen, der zudem kämpfen kann. Dass er ein würdiger Captain America sein kann, bewies Falcon zudem bereits in den Marvel-Comics.
Thanos‘ Plan war eh zum Scheitern verurteilt
Laut eigener Aussage wollte Thanos die Hälfte aller Lebewesen im Universum auslöschen, damit die verbleibende Hälfte gedeihen könne. Auf seiner Heimatwelt Titan musste er erleben, wie die Überbevölkerung alles ins Chaos stürzte und wollte dies für das restliche Universum verhindern. Einige Zuschauer*innen stimmten dem Bösewicht gar zu und meinten, Überbevölkerung ist ein großes Problem, das notfalls mit radikalen Mitteln gelöst werden muss.
Wie wenig Sinn Thanos‘ Plan wirklich ergibt, zeigten einige Beispiele jedoch ziemlich deutlich. Wenn zum einen sämtliche Lebewesen zur Hälfte ausgelöscht werden, betrifft dies auch Tiere und Pflanzen. Die Nahrungsversorgung der Menschen wird entsprechend ebenfalls stark angegriffen. Die Verbliebenen hätten also deutlich mehr Platz, mehr Essen aber nicht unbedingt.
Noch stärker wiegt das Argument, dass Thanos‘ scheinbar ultimative Lösung nur kurz anhält. Die Menschheit hat beispielsweise knapp 40 Jahre gebraucht, um seinerzeit ihre Bevölkerung von drei Milliarden auf sechs Milliarden Menschen zu verdoppeln. Thanos kann sich also keinesfalls einfach zur Ruhe setzen, sondern müsste eigentlich alle paar Jahrzehnte erneut schnippen, um seinem Ziel gerecht zu werden.
Wer jetzt also denkt, dass Thanos‘ Absichten völlig unlogisch wären und er stattdessen einfach die doppelte Anzahl an Ressourcen mit den Infinity-Steinen herstellen solle: Genau das ist der Punkt. Er ist nicht ohne Grund der Bösewicht und trägt in den Comics schließlich auch den Beinamen „Mad Titan“, also Verrückter Titan.
Die Macher wollten bewusst zeigen, dass es Thanos nicht um eine sinnvolle Lösung eines möglichen Problems mit Überbevölkerung geht. Vielmehr ist sein Stolz gekränkt worden, als er seinerzeit von Titan aufgrund seiner radikalen Vorschläge verstoßen wurde. Deswegen hat er sich auf diese eine, grausame Scheinlösung versteift und geht dafür buchstäblich über Leichen.
Als Hulk den Schnipser von Thanos rückgängig machte, kam es zu schrecklichen Unfällen
„Spider-Man: Far From Home“ zeigte uns mit einem Rückblick zu einer sich auflösenden Schul-Band, dass diese später dank Hulk genau an jenem Ort zurückgeschnipst wurde, an dem sie sich zuvor wegen Thanos‘ Schnipser aufgelöst hatte. Das sorgt aber für ein ernstes Problem: Zahlreiche Personen waren an Bord von Flugzeugen, Autos und Schiffen, während sie durch Thanos aufgelöst wurden. Wenn sie fünf Jahre später genau an jenem Ort zurückkehrten, war das Flugzeug beispielsweise aber nicht mehr da und sie stürzten einfach in den Tod.
Zum Glück war Hulks Schnipser jedoch nicht so verheerend, wie manche vermutet hatten. Die Macher enthüllten, dass Hulk sich dieser Konsequenzen bewusst war und die Personen deswegen gegebenenfalls stets in Sicherheit schnipste. Wer in einem Flugzeug war, fand sich also nicht in tödlicher Höhe wieder, sondern sicher auf dem Boden. Für unendliche Macht der vereinten Infinity-Steine ist das noch eine der leichtesten Aufgaben.
Iron Man ist der Böse im Civil War
Vor dem Start von „The First Avenger: Civil War“ wurde Robert Downey Jr. gefragt, wie es denn sei, jetzt mal den Bösen in einem Marvel-Film zu spielen. Auch einige Zuschauende dürften mit diesem Eindruck aus dem Film gegangen sein, immerhin bekämpfte Iron Man darin den titelgebenden Captain America. Das war allerdings nicht der Punkt.
Die Marketingkampagne fragte nicht ohne Grund die Fans: „Auf welcher Seite stehst du?“ Iron Man hatte gute Gründe, warum er für eine Beobachtung durch eine Behörde war, genauso wie Captain America gute Gründe dagegen hatte. Das Dilemma stand im Zentrum, weswegen keiner der beiden der Bösewicht des Films war. Diese Rolle hatte schließlich der von Daniel Brühl gespielte Zemo inne.
Regisseure haben keine Macht im MCU
Das MCU wird teilweise als kreativlose Maschinerie betitelt, die auf den Einfluss von Regisseur*innen keinen Wert legt. Das stimmt allerdings nicht. Zwar hat Kevin Feige, Chef der Marvel Studios, einen Plan für das MCU, doch dabei lässt er Regisseur*innen gerne ihre eigene Ideen einbringen, sofern diese in den Rahmen passen. Taika Waititi durfte beispielsweise seinen ganz eigenen Humor in „Thor: Tag der Entscheidung“ einweben, womit der Film völlig anders wurde als die vorherigen Thor-Werke.
Auch Joss Whedon arbeitete seine Handschrift eindeutig in die beiden ersten Avengers-Filme ein. Natürlich gibt es hin und wieder Spannungen mit Regisseur*innen, die ihre eigene Vision noch stärker einbringen wollen, wie beispielsweise Patty Jenkins, Edgar Wright und letztlich auch Whedon. Das ist bei Studiofilmen aber nichts Ungewöhnliches und dass die Filmemacher*innen ihren eigenen Stil überhaupt nicht einbringen dürften, entspricht eben nicht der ganzen Wahrheit.