Tatort: Architektur eines Todes: Die Frankfurter Kommissare Sänger und Dellwo lösen ihren 16. Fall.
Genau genommen sind Frau Sänger und Herr Dellwo von der Frankfurter Mordkommission in ihrem jüngsten Fall gar nicht zuständig, denn es gibt überhaupt keine Leiche. Getötet wird zwar auch in diesem Film, aber erst viel, viel später. Über eine Stunde ist dann vergangen, und man hat sich längst damit abgefunden, dass dieser „Tatort“ wohl kein Krimi mehr wird.
Weiß man jedoch von vornherein, dass die Geschichte von Judith Angerbauer deutlich vom üblichen „Tatort“-Schema abweicht, sieht man das Drama vielleicht mit anderen Augen; „Architektur des Todes“ ist ohnehin eher ein Frauenfilm, selbst wenn dieses Etikett möglicherweise einen diskriminierenden Beigeschmack hat. Umgesetzt wurde das Drehbuch allerdings von einem Mann. Dass Titus Selge für den Hessischen Rundfunk die herrlich schrägen „Polizeiruf“-Filme aus Bad Homburg inszeniert hat, sollte man allerdings ignorieren, denn von der dortigen Verspieltheit ist hier nichts zu spüren. Das hätte aber auch nicht zum Stoff gepasst.
Setzte Selge in seinen Provinzkrimis immer noch eins drauf, so muss er hier den erzählerischen Stillstand inszenieren: Star-Architektin Martens (Nina Petri) zeigt das Verschwinden ihrer Assistentin Anett (Julia Dietze) an. Damit ist die übersichtliche Handlung seriös zusammengefasst, denn viel mehr passiert nicht, zumal der Zuschauer zwischendurch erfährt, dass Anett zwar eingesperrt, aber noch quicklebendig ist. Während sich Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki) im weiblichen Netzwerk der Architektin verheddert, sorgt Dellwo (Jörg Schüttauf) für Fakten. Nach und nach stellt sich raus, dass Anett einen dänischen Freund (Thure Lindhardt) hat, der zwar drogensüchtig und ein Callboy, aber erstens die Wahrheit spricht (Dänen lügen nicht) und zweitens kein Mörder ist. Dellwos Bezeichnung „Netzwerkstecher“ macht jedoch mehr als deutlich, was er von ihm und dem Frauenbund hält. Sofia Martens wiederum kennt Gott und die Welt, unter anderem auch Staatsanwalt Scheer (Thomas Balou Martin), und hat außerdem ein mehr als bloß berufliches Verhältnis zur Assistentin. Die wiederum hat einem Kollegen (Bastian Trost) den Platz an der Sonne weggeschnappt. Zu allem Überfluss ist die Chefin verheiratet; für die üblichen Verdächtigen ist also gesorgt.
Während Nina Petri einmal mehr die scheinbar kühle Erfolgsfrau spielen muss und prompt unglaubwürdig wirkt, als sie sich ausgerechnet beim Hausarzt ausheult, ist Fritz Dellwo wieder mal die interessanteste Figur des Films: lässt sich nie ins Bockshorn jagen, darf fröhlich rauchen, hört beim Autofahren laute, harte Rock-Musik aus den Siebzigern; ein echter Outlaw, jedenfalls für „Tatort“-Verhältnisse. Sehr urban ist auch Frank Blaus Bildgestaltung mit einer agilen Handkamera, deren Aufnahmen von schönem Großstadt-Blues (KAB Fischer) untermalt werden. tpg.