Paradies: Glaube: Zweiter Teil von Ulrich Seidls "Paradies"-Trilogie, in der eine Frau mit katholischem Missionierungseifer einen Kleinkrieg mit ihrem muslimischen Ehemann beginnt.
Mit dem zweiten Teil seiner Paradies-Trilogie heimste sich Ulrich Seidl in Venedig eine Anzeige wegen Blasphemie ein, dabei zeigt er nur die hässliche Seite des christlichen Fundamentalismus.
Der Österreicher sorgte mit „Paradies: Glaube“ für ein Skandälchen beim Filmfestival in Venedig. Wegen einer Masturbationsszene mit einem Kreuz zeigte ihn eine ultrakatholische Organisation wegen Blasphemie an. Dabei findet die Szene im Kopf des Zuschauers statt, verzichtet Ulrich Seidl doch auf eine explizite Darstellung. Das Paradies auf Erden gibt es jedenfalls nicht. Das macht er unmissverständlich klar. In Cannes präsentierte er den ersten Teil seiner Paradies-Trilogie über drei Frauen einer Familie und stellte fest, Liebe ist nur eine Chimäre. Der „Glaube“ hilft nun aber auch nicht weiter.
Anna liebt Jesus und kniet abends mit nacktem Oberkörper vorm Kreuz und peitscht sich aus, ein Akt selbstauferlegter Buße. Die Schwester der Protagonistin aus „
Paradies: Liebe“ sucht nicht bei knackigen Kerlen in Kenia ihr Glück, sondern beim lieben Gott. In ihrem Urlaub klingelt sie als Missionarin mit einer Madonna im Beutel an Wohnungstüren und versucht Wildfremden in sinnfreien Diskussionen über die Muttergottes und das anständige Leben ihren Katholizismus aufzudrängen. Das Aufeinandertreffen von Bigotterie und Normalität hat manchmal etwas Absurdes, aber auch Tieftrauriges. Es gibt keine Erlösung im Christentum, selbst wenn Annas orthodoxe Gruppe innig für ein katholisches Österreich betet. Als dann noch der muslimische, an den Rollstuhl gefesselte Gatte nach langer Abwesenheit wieder auftaucht und Ehepflichten reklamiert, gerne mit der Krücke Kreuze und Papstbild von der Wand reißt, ist es vorbei mit der christlichen Barmherzigkeit, startet ein dramatischer Kleinkrieg.
Der größtenteils improvisierte Blick in die Untiefen der Seele, Urängste und Scheinheiligkeit ist komisch, lächerlich und erschreckend. Gnade vor dem Herrn findet niemand, auch nicht die christliche Fundamentalistin. „Paradies: Glaube“ beeindruckt durch streng kadrierte Bilder und ist sowohl im Kontext des ersten Teils zu verstehen, wie auch als Einzelstück, kehrt ein wenig ins spießige „Hundstage“-Ambiente von Seidls Hass-Österreich zurück. Kunst muss für ihn immer hinterfragen, ist dazu da, auf etwas aufmerksam zu machen und zum Nachdenken anzuregen. Beim routinierten Provokateur wird das Private zum Politischen. Zu bewundern ist der Mut von Maria Hofstätter, die sich bedingungslos dem Regisseur ausliefert und der Geschichte unterordnet. Auf den dritten Teil, der vielleicht in Berlin läuft, darf man gespannt sein. mk.