"Er bleibt eine Weile hier", lautet der erste Satz in dieser finnisch-deutsch-englisch-estnischen Co-Produktion, welcher erst nach siebzehn Minuten fällt. Ohnehin wird nur wenig gesprochen in der düsteren Parabel um einen Fremden, der den geregelten, aber eher von gegenseitiger Distanz geprägten Alltag einer allein erziehenden Frau und ihres zurück gezogenen Kindes aus dem Lot bringt. Am meisten redet noch der verbitterte, gewalttätige Vater, der mit Eisenketten an den Handgelenken in einem entfernten Gefängnis sein Dasein fristet. Der mysteriöse Besucher, besetzt mit Dorflehrer Pavel Liska, entpuppt sich als Bekannter oder gar Zellengenosse des inhaftierten Familienoberhauptes, der auf die Entwicklung in seinem Haus mit zunehmendem Misstrauen reagiert. Doch die Zusammenhänge zwischen den Charakteren, ihre Vorgeschichte, Beziehungen, Geheimnisse und ihr Schicksal bleiben offen. Erklärungen werden kaum offenbart. Vielmehr setzt der finnische Regisseur Jukka-Pekka Valkeapää in seinem Debüt auf die Kraft der Bildkompositionen, auf eine leicht surreale Stimmung, Geräusche und eine Unheil verheißende Cello-Musikuntermalung sowie gelegentlichen Panflöten-Einsatz.
Valkeapää greift zu Sprüngen, Ellipsen und Brüchen, um eine düster-mysteriöse Atmosphäre zu kreieren. Stärker als Erklärungen interessieren ihn stimmungsvolle Details, welche die Kamera in Großaufnahmen einfängt. Je nach Befinden der Charaktere wirkt die Natur entweder vertrauenserweckend oder bedrohlich. Häuserruinen unterstreichen den zunehmenden Rückzug der Zivilisation vor den zerstörerischen Kräften der Natur, denen ein angeschlagenes Individuum wie der Fremde letztlich ausgeliefert ist. Von Beginn an stehen verstörende Aufnahmen von (toten) Tieren für Gefahr, Verwesung und dem Aufbrechen der zwischenmenschlichen Kommunikation: Ein zersprungenes Ei mit einem toten Küken, Würmer in der Wunde des Fremden, (etwas zu oft) schwarze Raben am Himmel oder Fensterrahmen, ein verendetes Pferd, das aus Angst floh, oder erschlagene Hühner im Stall zeigen das Aufbrechen der vertrauten Ordnung an.
In einem geheimen Versteck unter den Dachbodendielen richtet sich der Junge eine Refugium ein. Hier hortet er seine Fundstücke wie ein Ei, eine Vogelfeder oder das kleine, geheimnisvolle Kästchen, das er dem Vater regelmäßig überreicht. Von hier aus erspäht der kleine Voyeur durch eine Bretterritze das Bett seiner Mutter, worin bald darauf der Besucher liegt. Immer wieder nimmt die Kamera die Position des versteckten Beobachters durch Öffnungen, Türspalten oder Fenster ein als Sinnbild für die Distanz, die der Junge zu den Erwachsenen aufbaut. Als er sich zu öffnen beginnt, ist es längst zu spät. Seine Zuneigung zum Fremden oder dem Vater erweist sich als Enttäuschung. Hoffnung gibt es letztlich für keine der Figuren.
Trotz oder aufgrund der kraftvollen Einstellungen wirkt die Inszenierung auf Dauer etwas aufdringlich und überladen. Es bleibt nicht aus, dass sich einige akustische und optische Effekte wiederholen. Aber letztlich kann man sich der Kraft der herbstlichen und winterlichen Einstellungen nicht entziehen.
Fazit: Visuell eindrucksvolle, mitunter überstilisierte Schauermär, die ihre Geheimnisse nicht völlig preis gibt und deren detailreiche Bilder die Leinwand brauchen.