Anfangs scheint es, als überschatte das große, hehre Anliegen Sylvain Estibals die ästhetischen wie erzählerischen Aspekte seines Debütfilms. Der Regisseur hat schon 2004 in Hebron als Fotojournalist eine palästinensische und eine jüdische Familie porträtiert, und er hat wie um ein Zeichen zu setzen die Rolle des Jafaar mit Sasson Gabay besetzt, einem Israeli mit irakischen Wurzeln ,und die Rolle der jüdischen russischen Einwanderin Yelena mit Myriam Tekaïa, einer in Italien geborenen und in Kanada aufgewachsenen Weltenbummlerin, die sich als Tunesierin versteht.
Doch selbst wenn man den Film nur aus internen Elementen beurteilt, bleibt der Eindruck eines allzu betulichen Beginns, einer zwar sehr sorgfältigen, aber gerade humoristisch bisweilen etwas hölzern geratenen Milieustudie. Da werden in einer seltsamen Chronistenpflicht möglichst viele Aspekte des Konflikts, wie sie sich der auswärtige Blick so vorstellt, abgehakt: die Armut der einheimischen Bevölkerung. Die alltägliche Militärpräsenz. Die restriktiven religiösen Vorschriften. Die UN-Bürokratie.
Zumindest letztere sorgt für einen geradezu befreiend anarchischen Moment. Mit was für einem Schwachsinn man ihm denn immer komme, ereifert sich Ulrich Tukur als deutscher Beamter Schauerland, als er hört, dass Jafaar ihm persönlich ein Schwein verkaufen will und steigert sich in einen tobenden, herrlich zügellos gespielten Wutanfall hinein. Eine Plotlinie, die umgekehrt unter ihrer mühsam herbei konstruierten Bedeutsamkeit erstickt, ist hingegen diejenige, in der es zu einer Art Verständigung zwischen einem der israelischen Wachsoldaten und Jafaars Frau Fatima (Baya Belal) kommt. Denn die beiden mögen ausgerechnet dieselbe Telenovela und dass dieses in Kitsch und Stereotypen geradezu ersaufende Genre als Medium der Annäherung dienen soll, das erzählt Estibal erstaunlich ironiefrei.
Nach einer Weile allerdings gewinnt die Handlung an Zug und, vor allem, an Biss. Wie kommt man an das Sperma eines Schweins? Und was blüht einem wohl, wenn man bei der, ähem, Produktion oder dem Verkauf desselben erwischt wird? Mit klugem Witz und mit großer Respektlosigkeit vor den gesellschaftlichen Zwängen, aber mit unbedingtem Respekt vor den Individuen, die in ihnen gefangen sind, wagt Estibal den Schritt zu diesen heikleren Themen. Und seinem Film tut es ausgesprochen gut, dass er das sichere Eis verlässt und seinen Humor verdunkelt bis ins beinahe Schwarze hinein.
Am Ende steht dann freilich doch wieder eine Utopie, ein schöner Traum vielleicht aber einer, der offen ist in seiner Vieldeutigkeit und der nicht anklagt, noch nicht einmal argumentiert, sondern einfach die eindeutig filmische Lust an der Bewegung zelebriert. Eine Gruppe behinderter, womöglich kriegsversehrter Breakdancer wirbelt da in einem Kreis von begeisterten Zuschauern herum, sie balancieren mit großem, unbeeinträchtigtem Geschick ihre Körper, lassen sie drehen, tanzen, flippen. Zweckfrei und wunderbar.
Fazit: Nach einem arg betulichen Beginn legt die Handlung von Das Schwein von Gaza nicht nur an Konzentration und Tempo, sondern auch an Mut zu. Mit einer Prise satirischer Schärfe gewinnt Sylvain Estibals Plädoyer für den Frieden im Nahen Osten auch als Film.