Smoke Signals: Originelles und witziges Roadmovie um zwei Indianer-Jungs auf der Spur des verstorbenen Vaters des einen.
Witz und erzählerische Eleganz zeichnen diesen Debutfilm des 28jährigen Arapaho-Cheyenne-Indianers Chris Eyre aus. Das Drehbuch zu dieser auf ungewöhnliche Art bewegenden Vater-Sohn-Geschichte und Freundschafts-Erfahrung schrieb der Spokane-Coeur-d’Alene-Indianer Sherman Alexie, basierend auf einigen Stories seiner 1993 erschienenen Kurzgeschichten-Sammlung „Regenmacher“. Ein originelles Roadmovie, das die bizarre Reise eines jungen Indianers zu seinem jahrelangen verschollenen und gerade verstorbenen Vater schildert. Es ist der erste Film der von „Native Americans“ geschrieben, coproduziert und inszeniert wurde und dessen Besetzung fast ausschließlich indianisch ist. Der beim Sundance-Festival 1998 mit dem begehrten Publikumspreis ausgezeichnete Film dürfte auch hierzulande aufgrund seiner ironisch vergnüglich erzählten und dabei spannenden Handlung einen breiten Zuschauerkreis finden.
„‚Smoke Signals‘ beweist, daß Indianer Filme machen können“, sagt Autor Sherman Alexie. „Der Film ist bahnbrechend, weil Indianer endlich ganz normale Menschen spielen dürfen mit komischen und komplexen Emotionen. Das könnte den Blick der Kinozuschauer auf Indianer im Film grundlegend ändern.“ Und tatsächlich fehlt jedes genretypische Leinwand-Klischee. Statt dessen stellt sich sofort ein untrügliches Gefühl der Authentizität ein - durch das genaue Ambiente von Schauplatz und Personen, durch ethnische Erkennbarkeiten und einen stilsicher wahrhaftigen Ton von Dialogen und Handlungen.
Nach einem fulminanten, dramatischen Auftakt mit einer ausgelassenen Independence-Day-Party im Coeur d’Alene Reservat in Idaho und dem Streit von Victors Eltern wegen der destruktiven Trinkgewohnheiten des Vaters ist nichts mehr so wie vorher.
Zehn Jahre sind inzwischen vergangen, nach dem Streit damals, 1988, hatte Vater Arnold (Gary Farmer) wütend die Familie verlassen. Seitdem lebt Mutter Arlene (Tantoo Cardinal) mit ihrem Sohn Victor, jetzt ein gutaussehender, pfiffiger junger Mann von 22 (Adam Beach), allein im Reservat. Denn einer alten Indianerweisheit zufolge kommen Indianer, wenn sie einmal weggegangen sind, nicht wieder zurück. Als die Nachricht eintrifft, daß Vater Arnold nach einer Herzattacke in einem kleinen Wohnwagen im fernen Phoenix, Arizona, gestorben ist, gibt es für Victor nur eins: er muß seinen Vater heimholen und im Reservat beerdigen.
„Indianer sind im Film immer politische Symbolträger, Vehikel für Spiritualismus, Unterdrückung“, beklagt Chris Eyre zu Recht. „Sie sind nie der Nachbar von nebenan.“ In „Smoke Signals“ erzählt er nun von solchen Menschen wie du und ich, die Indianer sind, deren Kultur sich in einigem von der der Weißen unterscheidet, in einigem anderen aber auch nicht. Und gleichzeitig spielen Eyre und Alexie mit den Klischee-Vorurteilen und -Vorstellungen, die wir zumindest von Kino-Indianern viel zu tief in uns haben. Victor bricht also auf nach Arizona, begleitet von dem jungen, bebrillten und bezopften und auch sonst liebenswert schrulligen Thomas Builds-the-Fire (Evan Adams), der ein grenzenloses Erzähltalent hat. Seine Geschichten handeln hauptsächlich von Victors Vater und wechseln von Humor zur Tragödie, von unscheinbaren Details zu opulenter Schönfärberei, von Fakt zu Fiktion. Aber es stimmt, daß der Vater seinerzeit Thomas als Baby aus dem Feuer rettete, bei dem dessen Eltern umgekommen sind. Und aus dieser Dankbarkeit gibt Thomas sein Erspartes her, weil Victor kein Geld für die Reise hat.
Der ewige quasselnde Thomas geht Victor nicht nur einmal auf die Nerven, und dessen Frage, wie er denn ein besserer Indianer werden könnte, beantwortet Victor lakonisch: „Du mußt zornig aussehen, wie ein Krieger.“ Als Thomas nicht versteht und einwendet, daß ihr Stamm doch aus Fischern besteht, kontert Victor: „Wir sind hier doch nicht in ‚Der mit dem Lachs tanzt‘, oder?“ Die Reise wird für die beiden zur Erfahrung von Freundschaft und Vertrauen. Und als sie in Phoenix ankommen und Suzy Song (Irene Bedard) treffen, eine junge Indianerin, die mit Victors Vater bis zu seinem Tod gelebt hat, erfährt Victor Überraschendes und Schmerzliches. Die Reise zurück nach Idaho im gelben Pickup des Vaters und mit dessen Asche in einer Urne wird für die beiden jungen Männer zum befreienden Verständnis für einander, für die Kraft des Lachens, des Geschichtenerzählens und der Stille. Eyres und Alexies Film ist poetisch und gerade deshalb auch politisch, er ist ironisch-realistisch und mit einem wunderbaren Selbstverständnis erzählt. Sherman Alexie: „Als sich der Film für meine Stories zu interessieren begann, habe ich auf einen indianischen Spike Lee gewartet. Chris ist besser.“ fh.