Sass: Gangsterepos über die Brüder Franz und Erich Sass, ein berühmtes deutsches Verbrecherduo der 20er Jahre.
Nach erfolgreicher Etablierung im Fernsehgeschäft, insbesondere mit der ZDF-Reihe „Rosa Roth“, greift das kreative Gespann Oliver Berben/Carlo Rola nun nach den Kinosternen. Mit ihrer 1996 gegründeten Firma Moovie the art of entertainment GmbH realisierten Produzent Berben und Regisseur Rola ihr gemeinsames Leinwand-Debüt „Sass“. Das breit angelegte Kriminal-Epos über ein authentisch verbrieftes Brüderpaar, das durch spektakuläre Einbrüche das Berlin der zwanziger Jahre in Atem hielt, ist mit Ben Becker und Jürgen Vogel namhaft besetzt. Es wird allerdings nicht einfach sein, ein breites Publikum für diese zwar höchst elegante, aber auch weitgehend unspektakuläre Hommage an zwei Banditen zu begeistern.
Franz und Erich Sass hießen die beiden Ganoven, die im Berlin der Roaring Twenties den Gesetzeshütern ein ums andere Mal ein Schnippchen schlugen, unter anderem deshalb, weil die Brüder die ersten waren, die bei ihrer „Arbeit“ einen Schneidbrenner benutzten. Ihre Karriere fand schließlich am 27. März 1940 ein jähes Ende, als sie von der Gestapo in Sachsenhausen erschossen wurden. Nun hat der versierte TV-Regisseur Carlo Rola, der insbesondere durch die populäre Iris-Berben-Reihe „Rosa Roth“ bekannt wurde, dem Geschwister-Paar in Spielfilmform ein Denkmal gesetzt und so vor der völligen Vergessenheit bewahrt. „Sass“ ist allerdings keine reine Rififi-Geschichte. Zwar darf man dem Duo auch über die Schultern schauen, wenn es Gräben buddelt, mit allerlei modernem Werkzeug Panzerschränke öffnet oder mittels Wasserdruck Tresore zum Bersten bringt. Aber Rola nimmt sich darüber hinaus viel Zeit für seine (Haupt-)Figuren - für den cleveren, wortgewandten Franz (Ben Becker als eleganter Charmeur und Herzensbrecher) ebenso wie für den naiven, aber technisch beschlagenen Erich (Jürgen Vogel als trottelig-naiver Spitzbube) und deren Beziehung zu ihren Eltern (treffend besetzt: Otto Sander & Karin Baal), zu den Polizisten (bedauernswert: Henry Hübchen als Kriminalsekretär), die sie erfolglos verfolgen und zu den Frauen (mal mondän: Jeanette Hain, mal verführerisch: Julia Richter), in die sie sich erfolgreich verlieben. In diesen ruhigen, ja fast beschaulichen Szenen wechselt „Sass“ allmählich vom Krimi, von der Räuberpistole ins waschechte Melodram, das in seinen bewegendsten Momenten an die episch breite Erzählkunst eines Sergio Leone erinnert.
Natürlich kann und will Rolas Werk kein zweites „Es war einmal in Amerika“ sein. Dennoch entsteht dank einer exquisiten Ausstattung, detailgenauen Kostümen und der virtuosen Kameraarbeit von Bundesfilmpreisträger Martin Langer („14 Tage Lebenslänglich“) ein adäquates, atmosphärisch dichtes Bild vom Berlin der wilden Zwanziger. Und wenn Ben Becker und Jürgen Vogel am Ende im Kugelhagel der Nazi-Schergen (und in Zeitlupe) ihr Leben lassen müssen, denkt man unwillkürlich an Butch Cassidy und Sundance Kid alias Paul Newman und Robert Redford, die einst in George Roy Hills Western-Klassiker „Zwei Banditen“ im Sperrfeuer der bolivianischen Miliz einen heldenhaften Tod starben. Gauner ist schließlich gleich Gauner, egal, ob in Hollywood oder in Babelsberg. Doch bei allem Respekt gegenüber dem amerikanischen Kino erzählt Rola - ähnlich wie in seinem Kino-Erstling „Peanuts - Die Bank zahlt alles“ (1995), der das Leben des Pleite-Milliardärs Jürgen Schneider thematisierte - auch hier eine durch und durch deutsche Geschichte, die Vergleiche mit Al Capone oder Lucky Luciano nur bedingt zulässt.
Nun bleibt abzuwarten, ob Constantin, wohl noch immer berauscht vom Kassenhit „Der Schuh des Manitu“, die richtige Marketing-Strategie findet, um ein nationales Interesse am dem raubenden Brüderpaar zu wecken. lasso.