Rosie: Drama um einen Schriftsteller, der von Berlin in die Schweizer Provinz zurückkehrt, um sich um seine pflegebedürftige und sehr eigensinnige Mutter Rosie zu kümmern.
Baustelle Familie: Marcel Gislers lebensnahes wie persönliches Drama um menschliche Würde und Fehler.
Fünfzehn Jahre nach seinem preisgekrönten Gay-Drama „Fögi ist ein Sauhund“ heimst der Schweizer Wahlberliner Marcel Gisler, zwischenzeitlich als Drehbuchautor und dffb-Dozent tätig, abermals den Schweizer Filmpreis ein. Seine beiden vorwiegend am Theater tätigen Hauptdarsteller, Sibylle Brunner als resolute Mutter Rosie und Fabian Krüger als ihr homosexueller, mit der Situation überforderter Sohn Lorenz, erhielten obendrein die beiden Darsteller-Trophäen, und das zu Recht. Prozesshaft widmet sich Gisler den Stationen einer schwierigen Beziehung, wühlt würdevoll und beherrscht mit leisen Emotionen auf. Dass diese Familiengeschichte wie aus dem Leben gegriffen wirkt, hat seinen Grund - nicht nur die gesamte Konstruktion samt aller Figuren ist autobiografisch; die alternde Alkoholikerin Rosie, die nach einem kleinen Schlaganfall nicht ins Altersheim will, ist ganz der eigenen verstorbenen Mutter nachempfunden und das Werk eine große Hommage an sie.
Was nicht bedeutet, Gisler würde auch nur ein Deut an dem so schrecklich nachfühlbaren, zerfahrenen Miteinander verklären: Kaum sind Rosies beide erwachsenen Kinder, der „Schwulenschriftsteller“ und seine in einer miserablen Beziehung feststeckende Schwester Sophie (Judith Hofmann) heimgekehrt, kostet sie die dickköpfige, resolute und ziemlich rücksichtslose Dame den letzten Nerv., weshalb die dünnhäutige Sophie verzweifelt reagiert, und der Bruder die Annäherungen seines jungen Bewunderers Mario (Sebastian Ledesma) - ihre Homosexualität wird als vollkommen normal inszeniert - zurückweist.
Viele Freudsche Träume, bestehend aus schlechten Kindheitserinnerungen an ein väterliches Geheimnis, das sich erst im Laufe der Zeit klärt, prägen das von Dissens und menschlichen Schwächen versalzene Familienleben. Sich aus diesen Verstrickungen emotional zu befreien, den Abschied von dieser hochmütigen, um ihre eigene Selbständigkeit kämpfenden Rosie einzuleiten, die nie das ist, was man sich erwünscht, findet auf unspektakuläre, aber wirkungsvolle, zumal stark gespielte Art statt. Strukturiert von einigen Zeitsprüngen, bewältigen Rosies Kinder über Jahre hinweg ihre kläglich verknotete Vergangenheit, bis das realitätsnahe Aufeinanderprallen Frieden und Zukunft mit einschließt. tk.