Ein verborgenes Leben: Episches Glaubensdrama über einen österreichischen Bauern, der für seine pazifistischen Überzeugungen bereit ist, in den Tod zu gehen.
Episches Glaubensdrama und Liebesgeschichte um den Bauern Franz Jägerstätter, der für seine pazifistischen Überzeugungen in den Tod geht.
Acht Jahre sind vergangen, seit die Jury um den damaligen Präsidenten Robert De Niro „Tree of Life“ von Terrence Malick die Goldene Palme zusprach. Es war zu diesem Zeitpunkt die fünfte Regiearbeit in 38 Jahren; davor hatte er im Jahr 2005 „
The New World“ vorgestellt. Dass der öffentlichkeitsscheue Texaner danach in vergleichbar schneller Abfolge gleich drei Filme - „
To The Wonder“ (2012), „
Knight of Cups“ (2015), „Song to Song“ (2017) - (sowie eine Naturdoku und ein paar Kurzfilme) fertigstellte, musste eingefleischte Adepten des notorisch langsam und unorthodox arbeitenden Malick irritieren, zumal sich die Filme zumeist anfühlten wie Skizzen, unfertig, hingeworfen, repetitiv, hart am Rand zur Selbstparodie. Offenbar hat Malick sie selbst nur empfunden als Nachbeben von „Tree of Life“, Variationen von Ideen, die bereits in dem autobiographischsten aller Malick-Filme angerissen waren. Denn „Ein verborgenes Leben“, bereits 2016 in Österreich und Deutschland als majoritäre deutsche Produktion von Studio Babelsberg gedreht und seit etwa zwei Jahren vor jedem neuen großen A-Festival als potenzieller Wettbewerbskandidat gehandelt, knüpft an „Tree of Life“, ist wieder ein großes, um narrative Nachvollziehbarkeit bemühtes Werk, eine Art Schwesterfilm. Denn ging es in dem einen, so etwas wie eine Jugenderinnerung des Regisseurs, um Liebe im Angesicht des Lebens, so erzählt sein neuer Film von der Liebe im Angesicht des Todes.
Wie man längst weiß, hat sich Terrence Malick der Lebensgeschichte von Franz Jägerstätter angenommen, ein einfacher Bauer, gläubiger Mesner und liebender Familienvater aus der kleinen österreichischen Gemeinde St. Radegund, der es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, Hitler den Treueeid zu schwören und für das Dritte Reich in den Krieg zu ziehen und deshalb am 9. August 1943 wegen Wehrkraftzersetzung hingerichtet wurde. Bereits 1971 hatte Axel Corti den Fall Jägerstätter erstmals filmisch behandelt in einem Dokudrama für den ORF mit Kurt Weinzierl in der Titelrolle. Gerade im Vergleich der beiden Filme stellt man fest, dass Terrence Malick die unerschütterliche Überzeugung Jägerstätters zwar fasziniert, sie ihm aber nur als Ausgangspunkt für seinen Film dient, in dem Jägerstätters in St. Radegund verbliebene Frau Fany eine mindestens ebenso große Rolle einnimmt, als Pariah in ihrem Heimatort. Sie muss die Arbeiten auf dem heimischen Hof gemeinsam mit ihrer Schwester unter vehementen Anfeindungen der Gemeinde weiterführen und ihre drei Töchter alleine großziehen, ohne auch nur einmal in ihrer Unterstützung ihres Mannes ins Wanken zu geraten. Natürlich ist „Ein verborgenes Leben“ ein unverkennbarer Malick-Film, eine elegische Gedankenkaskade, die über Einstellungen hinweg in Bildern der Natur schwelgt, begleitet von aufbrandender klassischer Musik, seinen Figuren immer ganz nah folgt und das Leben auf ganz einfache Schlüsselreize herunterbricht. Ehrliche Arbeit mit den Händen, ehrliche Zuneigung, Spielen mit den Kindern, Verbundenheit mit der Erde - der Garten Eden, ganz nah und doch in so weiter Ferne. Ob Malick das immer buchstäblich meint, ist anzuzweifeln. Eher geht es ihm darum, mit seinen hypnotischen Bilderfolgen der Essenz gemeinsamen Zusammenlebens nahe zu kommen, eine Art kollektiven Herzschlag zu finden, um den Zuschauer zu öffnen für die wirklich großen existenziellen und spirituellen Fragen, die ihn umtreiben. Dabei ist sein neuer Film weniger esoterisch, diesmal wispert kein Wind verlorene Worten. Dafür bilden die authentischen Briefe, die sich die Eheleute Jägerstätter während seiner Zeit im Gefängnis in Linz und Berlin-Tegel schrieben, den handfesten Rahmen für diesen Film über einen Mann, der für seine Überzeugungen stirbt, und seine Frau, die für seine Überzeugungen weiterlebt. August Diehl und Valerie Pachner, gerade erst auf der Berlinale in „Den Boden unter den Füßen“ zu sehen, sind beide irre gut. Die vielen anderen namhaften Darsteller - Bruno Ganz, Michael Nyqvist, Matthias Schoenaerts, Tobias Moretti, Karl Markovics, Alexander Fehling, Franz Rogowski, Ulrich Matthes und in einem Kleinstauftritt Dieter Kosslick - sind bisweilen nur in jeweils einer Szene zu sehen, und doch tragen auch sie zum Gelingen dieses Films bei, der im letzten Drittel eine Wucht erhält, der man sich nur schwer entziehen kann - der aber auch die Geister spalten wird, wie das bei Malicks Filmen nun einmal der Fall ist. Palmen-Chancen, vielleicht in den Darstellerkategorien, kann er sich allemal ausrechnen. ts.