Phenomenon: Emotionales Melodram mit John Travolta, der als einfacher Automechaniker durch ein Wunder zur Intelligenzbestie mutiert.
Spätestens seit „Während Du schliefst“ weiß man, daß Jon Turteltaubs Filme ihr Herz gerne auf dem rechten Fleck tragen. Eine Feststellung, die auch auf „Phenomenon“ zutrifft, in dem der Regisseur wieder auf große Emotionen setzt, gleichzeitig aber auch mit einem gerüttelt Maß an Tiefgang den Fragen nach dem Sinn des Lebens auf der Spur ist. Daß nicht nur Freunde der Esoterik Spaß haben an dieser spirituellen Saga eines einfachen Mannes, der dank eines vermeintlich übernatürlichen Winks Intelligenz und Erleuchtung erfährt, dafür sorgt eine recht clevere Story und der Einsatz John Travoltas.
Natürlich fehlt Travoltas „Jedermann“ George Malley in „Phenomenon“ jenes gewalttätige Glimmern in den Augen, das seine Figuren in „Pulp Fiction“, „
Get Shorty“ und selbst die eindimensionale Karikatur eines Bösewichts in „Operation Broken Arrow“ so ambivalent und spannend gemacht hat. Hier wirkt der rehabilitierte Star mehr wie ein tapsiger Teddybär, der seinen vorhersehbaren Alltag als etwas unterbelichteter Konsens-Sympathieträger erschüttert sieht, als er an seinem 37. Geburtstag von einem Lichtstrahl aus dem All getroffen und mit einem Schlag zur Intelligenzbestie wird. Daß der Segen des Wissens auch ein Fluch ist, der auf den breiten Schultern Georges lastet, als sei es das Gewicht der gesamten Welt, wird von Turteltaub anhand der Veränderungen in Georges Leben mit breiten Strichen gezeichnet. Denn das plötzliche Genie nimmt nicht nur Einfluß auf George, der mit einem Mal mehrere Sprachen spielend lernt, mathematisch-wissenschaftlichen Problemen nachgeht und obendrein telekinetische Talente entwickelt, auch die Umwelt reagiert: Die Mitbewohner seiner Everytown U.S.A. halten George auf Distanz, Wissenschaftler und das FBI schalten sich ein, während George selbst darum kämpft, sein altes Leben und die Freundschaften zu seinem Kumpel Nate (Forest Whitaker) und dem Dorfdoktor (Robert Duvall), aufrechtzuerhalten und vielleicht das Herz seiner geheimen Liebe (Kyra Sedgwick) zu gewinnen.
Durchaus gelungen ist der sorgfältige Start von „Phenomenon“, auch wenn Turtelbaub allzu deutlichen Problemstellungen und einer eindeutigen dramatischen Richtung seines Werks lange ausweicht. Weder will er sich auf ein Capraeskes Märchen über einen Mann einlassen, der mit überraschender Größe konfrontiert wird, noch spinnt er den Thrillerfaden weiter, in dem der unschuldige George Malley eine Bedrohung für die Sicherheit der USA darstellt. Lieber schürt der Regisseur die Frage nach Herkunft und Bedeutung des titelgebenden Phänomens. Daß jenes letztlich keines ist und - anders als es der Werbeslogan suggeriert - manche Dinge im Leben sehr wohl erklärt werden können, ist der eigentliche Clou des Films, mit dem der Ton in Richtung Melodram verlagert und sich der langwierige Aufbau als ausführliche Exposition entpuppt: Es stellt sich heraus, daß ein Tumor verantwortlich ist für den unerwarteten Leistungsschub in Georges Gehirn und sein Tod nur eine Frage der Zeit ist.
Anders als im Falle von George, der die Möglichkeit erhält, alle losen Fäden seines Lebens zu verknüpfen, bleiben bei „Phenomenon“ viele Probleme ungelöst. Und auch wenn Travolta und sein Regisseur deutlich an die Grenzen ihrer Fähigkeiten stoßen, ist es vielleicht die leichte Art, mit der der Film auf die Vergänglichkeit des Menschen hinweist, die „Phenomenon“ für ein großes Publikum so reizvoll macht: 25 Mio. Dollar Einspiel am Startwochenende in den USA sind ja beileibe kein Pappenstiel. ts.