Mein blühendes Geheimnis: Bitterböses Drama über eine Madrider Hausfrau in der Lebenskrise.
Pedro Almodóvar at his best - diesmal mit einem Drama, weniger Melo und viel charakteristisch schwarzem Humor, der nicht nur schräg, sondern fast realistisch schmerzhaft ist. Er kehrt wieder zu seinen Wurzeln zurück, etwa zu dem erbarmungslosen Realismus von „Womit habe ich das verdient?“ mit Carmen Maura in der Rolle einer frustrierten Madrider Hausfrau. Im Mittelpunkt steht auch diesmal wieder eine Frau, bereits mittleren Alters und verheiratet mit einem NATO-Offizier, der bei der spanischen Friedenstruppe in Bosnien ist. Diese Ehe ist dabei, zuende zu gehen, worunter die Frau, die Schriftstellerin Leo (Marisa Paredes in ihrer bisher wunderbarsten Rolle), verzweifelt leidet. Leo schreibt Bestseller-Liebesromane, Trivialliteratur unter dem Pseudonym Amanda Gris, und ihre privaten Probleme behindern sie beim Schreiben. Sie kann ihren Vertrag, nach dem sie drei Romane pro Jahr abliefern muß, nicht erfüllen. Alls, was ihr unter die Feder kommt, gerät nicht sentimental rosa, sondern bösartig schwarz. Sie beginnt immer mehr zu trinken und schlägt die Zeit tot mit Zeitunglesen und dem Warten auf einen Anruf ihres Mannes, der gerade in Brüssel ist. Almodóvar inszeniert mit Liebe zum Detail und nachdenklicher Melancholie die sich ständig verstärkende Einsamkeit der Frau, die hilflos ist und desorientiert. Auf einmal weicht das Pathos, mit dem er ja so wunderbar umgehen kann, einer realistischen Beobachtung und einem Ernst, der große Zärtlichkeit verrät. Und doch ist Almodóvars Gusto des schwarzen Humors nicht verschwunden. So schreibt Leo in ihrer Depression eine düstere Geschichte über den Tod, die keine Chance zur Veröffentlichung hat. Das Manuskript wird aus Leos Müll gestohlen - und von Bigas Luna demnächst verfilmt. Seine Story erzählt Almodóvar in einem quasi autobiographischen Ambiente - Alltagsleben und Film, Presse, Publikumsromane. Das gibt ihm Gelegenheit zu schönen kleinen Hieben und Stichen gegen das, was er kennt. Leo soll für die Kulturbeilage der spanischen Tageszeitung „El Pais“ eine Kritik der populären Amanda-Gris-Romane schreiben - ihr Pseudonym ist ein gutgehütetes Geheimnis -, und daraus wird ein großer Verriß. Veröffentlicht wird er natürlich unter einem neuen Pseudonym. Die Flucht in andere Identitäten auf der Suche nach der einzig wahren eigenen Identität, Rollenverhalten, Rollenspiele sind klassische Almodóvar-Themen. Diesmal hat er den Schmerz der Einsamkeit und die Sehnsucht nach Liebe so explizit personalisiert, daß er den Weg zurück in die eigene Kindheit geht. In der Region La Mancha, wo er als Kind gelebt hat, wurde ebenfalls gedreht: Szenen zwischen Leo und ihrer Mutter, die sie als „Kuh ohne Kuhglocke“ bezeichnet. Tragik, Komik, Alltag und Absurditäten, die offenen Sinne für das Geschehen des Lebens: Almodóvar erzählt von ihnen mit ungrellem Ernst, tiefgehendem Witz und sehr spanischem Flair. „The Flower of my Secret“ nennt Pedro Almodóvar selbst einen Film der „guten Gefühle, wie bei Capra“. Doch was Almodóvar mit diesen „guten Gefühlen“ anstellt, das geht ziemlich weit weg von Capra - in die surreale Kraft des schwarzen Humors und der nicht viel helleren Realität. fh.