Die Liebesgeschichte eines Outlaw-Pärchens erzählt Regisseur und Drehbuchautor Hans W. Geißendörfer in seinem Kinofilm In der Welt habt ihr Angst. Die flammenden Gefühle der jungen Außenseiter Eva und Jo füreinander befähigen das Paar zur telepathischen Kommunikation, während sie sich als Geiselnehmerin in eine Wohnung einnistet und er im Gefängnis seinen Beitrag zum gemeinsamen Fluchtplan leistet. Hemmungslose, entrückte Romantik ist das Ergebnis, wenn sich der 69-jährige Lindenstraße-Erfinder Geißendörfer an die Liebe in jungen Jahren erinnert und sie in ihrer ganzen Intensität auf die Leinwand bannen will.
Zur Jugend gehören Rebellion, Kompromisslosigkeit und manchmal sogar Verzweiflung, wie bei diesem heroinsüchtigen Außenseiterpaar in der Provinz. Es bleibt eines der unbeantworteten Rätsel dieser Geschichte, warum Eva und Jo nur in Neuseeland entziehen könnten, warum sie in Bamberg so überhaupt keine Chance haben. Ein Rätsel ist das auch, weil die Kulisse der wunderschönen Altstadt mit ihren vielen Kirchen in diesem Film eine Art Boheme-Gefühl erzeugt, einen leicht heruntergekommenen Charme immer noch schmucker Fassaden besitzt, zu dem das graue Wetter und das Halbdunkel der Räume passen.
Eva kauert nach ihrer Flucht aus dem Antiquariat zwischen Gerümpel in Pauls Treppenhaus, um dort die Nacht zu verbringen. Bis dahin wurde in Form knapper Feststellungen erzählt: Eva und Jo brauchen Geld, sie wollen weg, große Not, Überfall, Verkettung unglücklicher Umstände. So dramatisch kann es manchmal gehen, aber das macht die Geschichte zum Fantasiegebilde, hebt sie aus möglichen Zeitbezügen heraus.
Das Behaupten einer telepathischen Verbindung des nach Jos Festnahme getrennten Paares wirkt erst recht märchenhaft, vor allem weil die echte Kommunikation zwischen Eva und Jo weitgehend fehlte. Anna Maria Mühe spielt diese Eva zwar sehr seelenvoll, als engelsgleiche Figur, aber anstatt in Pauls Wohnung im Entzug zu schlottern, spielt sie Klavier und füttert ihre Gefangenen mit italienischem Essen. Der Filmtitel entstammt, wie man erfährt, einer Kantate von Bach. Musikalisch sind sie hier alle, Jo, der von Max von Thun dargestellt wird, spielt Gitarre, der von Axel Prahl gespielte Paul hat das Klavier, Evas Vater, dargestellt von Hanns Zischler, ist Kantor und probt für Weihnachten mit dem Posaunenchor, zu dem auch Evas Exfreund Tom gehört.
Axel Prahl, der wie so oft sympathische Menschlichkeit in die Geschichte bringt, verkörpert hier die wichtigste männliche Figur, denn Paul durchleidet nicht nur sein eigenes Beziehungsdrama, er nähert sich innerlich auch der jungen Frau an, die ihn in seiner Wohnung gefangen hält. Doch vielleicht am schönsten an der Geschichte, die im übrigen keine Botschaft zu haben scheint, ist die Einleitung in Schwarzweiß, während der sich Eva und Jo stumm und simultan ihre Spritzen aufziehen und sich einen Schuss setzen, während sie in den Blicken des Anderen forschen. Ein, wenn auch vergänglicher und vermutlich wenig realistischer, Moment gemeinsamen Erlebens.
Fazit: Hemmungslos romantisches Liebesdrama um ein heroinsüchtiges Pärchen, das in Bamberg ein Verbrechen begeht.