Hope ist ein geheimnisvoller Film. Die Beziehungen der Figuren und Hintergründe entwickeln sich erst sehr langsam, die Bilder entfalten sich zunächst enigmatisch, ein wenig fremd und auf anregende Weise verwirrend, woraus eine ganz besondere Spannung entsteht. Vieles bleibt im Dunkeln, zwiespältig. Welche Bedeutung der Tod der Mutter, der dem Film wie die Lösung des Rätsels vorangestellt ist, für das Verhalten der Figuren hat, wird nie ganz klar: Ist Franciszeks Erpressung des Galeristen als Kompensationsversuch für diesen unwiederbringlichen Verlust zu deuten? Und wie ist er Weber überhaupt auf die Schliche gekommen?
Trotz seiner anregenden Lückenhaftigkeit bietet der Film erzählerisch nicht, was man sonst von Drehbuchautor Krzysztof Piesiewicz, dem langjährigen Ko-Autor Krzysztof Kieslowskis, geboten bekommt. Der Film hat, besonders gegen Ende, einige Längen und hält sich mit überflüssigen Szenen auf. Die Liebesgeschichte um Franciszek und seine Freundin Klara beispielsweise wirkt wenig nachvollziehbar und aufgesetzt. Denn die Figur der Klara erscheint übertrieben und typenhaft, wenn sie Franciszek wie ein Schoßhündchen um Aufmerksamkeit anbettelt oder wie ein Aufziehpüppchen ewig fröhlich um ihn herum hüpft, während er sie nicht einmal bemerkt und auf die Frage, ob er sie liebe, keine Antwort weiß.
Doch Hope entschädigt für diese kleinen Fehler mit sonst durchgehend starken, dichten, atmosphärischen Bildern, oft faszinierend undurchschaubaren Figuren und interessanten, eigentümlichen Räumen. Die tiefblaue Wohnung von Franciszek und seinem Vater wirkt stark atmosphärisch, genauso wie die grell rot gefärbte Galerie von Benedikt Weber oder die surreale, stillgelegte Fabrikhalle mit dem Inline skatenden Mädchen, in dem ein Kunsthehler residiert. Die wunderbarste Kulisse findet sich in einem Ausstellungsraum des Museums der Gegenwartskunst, wo sich Franciszek und der Galerist bei gegenseitigen Einschüchterungsversuchen zwischen pinken, japanischen Exponaten bewegen, als befänden sie sich im Zimmer eines 15-Jährigen, asiatischen Teenager-Mädchen.
Der Newcomer Rafal Fudlej als blonder Lockenkopf Franciszek macht seine Sache gut. Er ist in seinem jugendlich draufgängerischen Eifer sympathisch und ein wenig unheimlich zugleich Wie er mit professionellster Technik den Galeristen verfolgt, sogar Wanzen installiert. Stanislaw Mucha inszeniert ihn teils fast wie einen Serienkiller: Die Wände seines Zimmers sind mit gelben Klebezettel-Notizen gepflastert und sein Blick durch das Nachtsichtgerät liefert düstere, bläulich-kalte Rasterbilder. An anderer Stelle macht er ihn dann wieder zur Engelsfigur, wenn er ihn immer wieder mit überirdischem Lächeln in Großaufnahme zeigt oder am Himmel schwebend beim Fallschirmsprung. Das Motiv der geflügelten Gottesboten zieht sich durch den gesamten Film. So zeigt das gestohlene Bild einen Engel mit Geige, findet sich plötzlich eine wild flatternde Taube im Altarraum, zieht eine surreal anmutende Prozession von Kindern in weißen, wehenden Gewändern durch die Straßen und schenkt der passionierte Fallschirmspringer Franciszek seinem Bruder zu jedem Geburtstag ein Buch über die Weiten des Weltalls.
Der Film ist voller solcher symbolträchtiger Momente, was leider teilweise etwas überladen und aufgesetzt oder auch zu eindeutig wirkt. Die rebellisch grell-grüne Farbe des kleinen Wagens des Protagonisten hätte zum Beispiel völlig als Hoffnungssymbol gereicht, da braucht es keine Großaufnahme des Nummernschilds, welche das deutsche Kennzeichen HOPE 123 zeigt. Genauso muss nicht ausdrücklich auf das engelhafte Lächeln Franzisceks hingewiesen werden, das ihn zum Doppelgänger des gestohlenen Engels mit Geige macht.
Diese Geige wiederum verweist auf ein weiteres wichtiges Motiv des Films: die Musik. Nicht nur ist sie ein wichtiges Bindeglied zwischen Vater und Sohn, auch der Film selbst wird durch seinen wunderbaren Soundtrack zusammengehalten. Die zurückhaltende, poetische Musik des Films begleitet und trägt die oft stillen Bilder und lässt sie zu einem ausdrucksvollen Strom zusammenfließen. Dabei wechselt sie schwebend zwischen treibenden, dynamischen Melodien und getragenen, nostalgischen Streicherklängen. Musik ist auch eine Religion sagt der Galerist in Hope einmal, worauf der Dirigent antwortet: Musik ist Musik Sie steht für sich allein. Das tut sie auch in Hope: Sie treibt die Bilder, aber erzählt auch eine eigene Geschichte und kreiert eine ganz eigene Spannung.
Hope ist ein Film über einen Jungen, der in den Krieg zieht für die Bewahrung des Alten. Nostalgie prägt seine gesamte Familie. Der greise Vater trägt, obwohl der Tod seiner Frau so lange zurück liegt, noch immer seinen Ehering, genauso wie Franciszeks Bruder das Photo der toten Mutter wie ein Heiligenbild verehrt. In einer Welt der iPods und Mobiltelefone, die in Hope, immer wieder störend, allgegenwärtig sind, erscheint der Blick in die Vergangenheit den Figuren wie eine schützende Umarmung. Etwas überraschend nur, dass sich diese Strategie am Ende auszahlt. Es wirkt fast, als wäre der Regisseur ähnlich nostalgisch wie seine Figuren
Fazit: Trotz teilweise etwas zu gewollter Symbolik ist Hope ein Film mit vielen poetischen Momenten, die einen Blick wert sind und in ihrem schweigenden, musischen Gehalt faszinieren.