Happy Times: Zwischen Sozialdramödie und Märchen schwankende Geschichte kleiner Leute in der chinesischen Hafenstadt Dalian.
2000 auf der Berlinale für „Heimweg“ mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet, präsentiert Zhang Yimou dieses Jahr „Happy Times“, der innerhalb des Wettbewerbs außer Konkurrenz gezeigt wird. Sonst eher bekannt als Mann für „schwierige“, also gesellschaftspolitisch brisante Stoffe, beweist Chinas Vorzeige-Regisseur hier, dass er auch ein sicheres Gespür für Komödie besitzt. Die mit wunderbaren Schauspielern besetzte, ebenso witzige wie anrührende Lektion in Sachen Liebe und Menschlichkeit verfügt dank ihrer Leichtigkeit durchaus auch über Chancen, ein breiteres Publikum in ihren Bann zu ziehen.
Als „Festivalier“ ist Zhang Yimou im Filmgeschäft längst eine feste Größe, es gibt kaum einen Wettbewerb, den er ohne Preis verlässt. In Venedig beispielsweise Gewinner des Goldenen („Die Geschichte der Qiu Ju“) und des Silbernen Löwen („Rote Laterne“) wäre der renommierte Regisseur auch dieses Jahr in Berlin wieder ein recht sicherer Tipp, hätte er seine jüngste Arbeit mit in die Ausscheidung geschickt. Dabei unterscheidet sich der erfrischend leichte „Happy Times“ ganz grundsätzlich von seinen bisherigen, zumindest unterschwellig, politischen Filmen, die fast ausschließlich auf dem Land angesiedelt waren. Wie bisher nur bei „Keep Cool“ (1997), seiner erste Komödie, verschlägt es Yimou diesmal in die Großstadt, genauer gesagt in die boomende Hafenstadt Dalian. Da hält der pensionierte Fabrikarbeiter Zhao seit Jahren vergeblich Ausschau nach einer Braut. Aber eines Tages meint es schließlich das Schicksal zur Abwechslung einmal gut mit ihm. Eine gewichtige Dame mittleren Alters ist bereit ihn zu ehelichen, vorausgesetzt natürlich, dass er die 50.000 Yuan auftreibt, die sie für eine Hochzeitsfeier für notwendig erachtet. Um die Braut in spe nicht vor den Kopf zu stoßen, richtet Zhao mit Hilfe seines besten Freundes Li in einem alten, stillgelegten Bus ein Liebesnest - das Happy Times Hotel - ein. Das Geschäft läuft recht vielversprechend an, und schon behauptet der stets bankrotte Zhao gegenüber seiner Herzensdame, ein Hotel-Manager zu sein. Die geldgierige, geschiedene Frau wittert daraufhin die Chance, endlich ihre blinde Stieftochter Ying loszuwerden. Sie verlangt von Zhao, das Mädchen in seinem Hotel zu beschäftigen. Als Zhao widerwillig mit Ying den Bus aufsucht, wird dieser gerade im Zuge einer Reinigungsaktion verschrottet. Zhao und Li sind erneut gezwungen zu improvisieren…
Glaubt man jenen Kritikern, die Yimous großen Gefühlsfilm „Keiner weniger“ schon als erstes chinesisches Feel-Good-Movie bezeichneten, dann muss man ihm hier attestieren, eine vor witzigen Einfällen sprudelnde Charakterkomödie inszeniert zu haben, deren Stärke in ihrem Understatement und dem zurückgenommenem Spiel der allesamt vorzüglich agierenden Darsteller liegt. Inspiriert von einer Geschichte des chinesischen Autors Mu Yan - Yimou verfilmte1987 bereits mehrere von dessen Kurzgeschichten unter dem Titel „Rotes Kornfeld“ - holt der Filmemacher seine Einfälle primär aus (scheinbar) ganz alltäglichen Geschehnissen, die er unkommentiert weitergibt. Gleichzeitig strotzen sämtliche Figuren vor Leben, wobei sich Zhao und dessen Kumpel durch Schläue und Güte auszeichnen, die dicke „Goldgräberin“ und ihr widerlicher, fetter Sohn als hassenswerte „Bösewichte“ herhalten müssen und die herumgestoßene Ying das Herz der Zuseher (und Zhaos) erobert. Beiläufig und unauffällig bedient Hou Yong seine Kamera, was unspektakuläre, „naturalistische“ Bilder zum Ergebnis hat. Gleichzeitig fängt er dabei viel vom zeitgenössischen Flair Chinas ein, wenn er seine Darsteller (mit versteckter Kamera) auf den Straßen und Plätzen verfolgt. Ist es auch manchmal schwierig, den nie versiegenden Dialogen via Untertitel zu verfolgen, garantiert Zhang Yimous jüngste Arbeit seinen Zuschauern genau das, was der Titel verspricht und dem Verleih, bei entsprechender Vermarktung, wohl einen Achtungserfolg über das Arthouse-Publikum hinaus. geh.