Der Untergang: Packendes, intensives Drama über den Untergang des Nazi-Regimes und die letzten Tage in Hitlers Führerbunker.
„Kein schöner Land in dieser Zeit“ singen die Goebbels-Kinder im Führerbunker und bringen das Grauen einer unvorstellbaren Inszenierung des Todes auf den schauerlichen Punkt. Nicht nur in dieser Sequenz wird deutlich, dass der gruseligste Horrorfilm des Jahres aus Deutschland kommt. Das von Autor-Produzent Bernd Eichinger, Regisseur Oliver Hirschbiegel und einem Who’s Who exzellenter deutscher Charakterdarsteller gestemmte Projekt über die letzten Tage eines Terrorregimes bewältigt die schwierige Gratwanderung, mit der sich jede dramatisierte Annäherung an das Unbegreifliche konfrontiert sieht, und bietet sich gerade der jungen Generation als packende Einführung in eine Diktatur an, die die Welt über zwölf Jahre in Atem hielt und dabei über 50 Millionen Menschen für immer den Atem nahm.
Natürlich muss „Der Untergang“ Widerstand und Zweifel bei manchem Zuschauer überwinden, der sich fragt, warum kreative Energie, Ressourcen und ein großartiges Ensemble in ein Projekt gesteckt werden, das man aus hochklassigen Dokumentationen, aus dem Kinofilm „Hitler - Die letzten zehn Tage“ (mit Alec Guinness) und dem TV-Drama „Der Bunker“ (mit Anthony Hopkins) schon zu kennen glaubt. Tatsächlich aber ist es der erste große Spielfilm zum Thema, der von deutschen Sensibilitäten bestimmt wird und in dem die Verkörperung Hitlers einmal keinen englischen Adelstitel trägt. Dieser Aspekt war für Bernd Eichinger der dominante Impuls, aus Joachim Fests „Der Untergang“ sowie Traudl Junges und Melissa Müllers „Bis zur letzten Stunde“ ein Drehbuch zu komprimieren, das Historisches und Persönliches verbindet und im gefängnisgleichen Schauplatz eines Bunkers die unerschütterlichen Denkweisen und Machtmechanismen eines Regimes freilegt. Hier erkennt man den Untergangsgehorsam, die verblendeten Ideologien, die Ausgrenzung des Emotionalen, die größenwahnsinnige Sehnsucht und die „Massenverrücktheit“ (wie Eichinger sie nennt), die in Koalition mit dem Terror diese Diktatur erst ermöglichte.
„Der Untergang“ ist auch strukturell ein gewagtes Unternehmen: er konzentriert sich auf einen beengten Schauplatz und auf Figuren, die man in die Hölle wünscht. Es gibt keinen Helden, aber viele reale Horrorfiguren. Es gibt Charaktere wie den von Christian Berkel dargestellten Arzt Prof. Schenck, die Blicke auf das Leid des Volkes ermöglichen, das in diesem Film nur Nebendarsteller ist. Es gibt Charaktere, die eine intime Perspektive auf das Geschehen, aber auch Einblicke auf ein Gemütsmodell ermöglichen. Wie eben Traudl Junge (Alexandra Maria Lara), die mit großer Naivität Hitlers Sekretärin wurde, die hinter die Fassade schauen kann, mit der Fassung ringt, aber loyal bleibt und für die Verehrungsbegeisterung vieler Deutschen steht. Und es gibt einen (Ver-) Führer, der zu Beginn seine charmante, schnell aber seine despotische, menschenverachtende Seite zeigt, der vom Verrat des Volkes faselt und die undankbaren Deutschen mit sich untergehen sehen will. Sympathisch ist nichts an ihm, auch wenn englische Blätter das vorauseilend bereits kolportieren. Wer seinen Hund streichelt oder sich bei der Köchin für die tollen Ravioli bedankt, weist sich nicht zwangsläufig als Mensch aus, der Mitleid verdient.
Auch bei Bruno Ganz braucht man eine Eingewöhnungsphase, um das Theatralische dieser Figur, das Chaplin so unheimlich herausarbeitete, auszublenden und sich auf das Diabolische und Erbärmliche zu konzentrieren. Die Person Hitler ist unfassbar, aber Ganz schafft eine angenehm nüchterne Annäherung, ohne den Menschen hinter dem Monster aufzuspüren, (bei Hopkins und Guinness viel stärker und unangenehmer ausgeprägt). Diese Strategie verfolgt auch der Film insgesamt, der Hitler und seine Gefolgsleute als das entlarvt, was sie ausschließlich waren, der die Traumzeit von Neonazis beendet, wenn sie denn je aufwachen wollten.
Bevor sich der Film in den letzten zehn Minuten öffnet und die Sonne erstmals auf zwei Gesichter fällt, die für Hoffnung stehen, beherrschen klaustrophobische Bildausschnitte, Handkamera und realistische Lichtsetzung die Inszenierung, durchbrechen Polaroids vom Straßenkampf in Berlin, vom lynchenden Mob und mordender SS die Ereignisse im Bunker, in dem sich einige Nazis systematisch auf ihren Selbstmord vorbereiten und der Rest nur wartet, bis endlich die russische Armee zugreift. Es sind gespenstische Szenen, in denen gefeiert, gedroht und immer noch Tod befohlen wird, der dann draußen vollstreckt wird. Die Vernichtungsmaschine läuft weiter, obwohl sie längst vom Netz genommen ist … und macht in der entsetzlichsten Szene des Films auch vor den Goebbelskindern nicht Halt. Sie sind es, für die man neben den anonymen Opfern im Straßengraben Mitgefühl empfindet. Der große Verdienst des Films liegt auch darin, dass er keinen Zweifel lässt, dass es außer ihnen im Bunker auch niemand verdient hat. kob.