Das Auge: Die zweite Verfilmung des Paranoia-Thrillers von Marc Behm über einen Überwachungsspezialisten, der einer Serienmörderin verfällt.
Seine Travestie-Show „Priscilla - Königin der Wüste“ war ein Hit, seine Outback-Farce „Welcome To Woop Woop“ ein Flop, den deutsche Kinogänger nie zu Gesicht bekamen. Stephan Elliotts mörderische Lovestory „Eye of the Beholder“ aber fand nach der Uraufführung letztes Jahr in Venedig beim instinktsicheren Kleinverleiher Movienet ein Zuhause. Zum Glück für Liebhaber ausgefallener Stoffe, die nicht nur durch die Präsenz von Hauptdarstellerin Ashley Judd im Auge des Betrachters den Eindruck bekommen, dass dieses visuelle Schmuckstück sehr gut unterhält und dabei auch künstlerischen Anspruch verrät. Eine Thrillerüberraschung mit kommerziellem Potenzial.
Elliott selbst adaptierte Marc Behms Roman, der 1982 schon Vorlage zu einem der besten Filme Claude Millers, „Das Auge“, gewesen war. Beide Versionen verbindet optische Eleganz, die Mischung aus Psychologie, Krimi und Melodrama, sowie eine bizarre symbiotische Beziehung zwischen einer attraktiven Killerin und ihrem unsichtbaren Schatten. Rollen, die in Millers Fassung Isabelle Adjani und Michel Serrault übernahmen. Den großen Altersunterschied hat Elliott aufgelöst und auch sonst einige Veränderungen vorgenommen. Die gravierendste ist das Motiv, das den Beobachter fast zum Komplizen der Täterin macht. Während Serrault in ihr seine tote Tochter wiederzuerkennen glaubte, folgt Ewan McGregor Judd, getrieben von Einsamkeit, einer vermuteten psychisch-emotionalen Verwandtschaft und einem nachvollziehbaren erotischen Impuls. Als Überwachungsexperte Eye auf Judds aktuellen Lover angesetzt, ist sein Auftrag eigentlich mit dessen Ermordung jäh beendet. Doch Judds Zusammenbruch nach der Tat, die er mit seiner Hi-Tech-Ausrüstung beobachtete und belauschte, ist der Beginn einer Obsession, die ihr bis zum Ende verborgen bleibt. Über den amerikanischen Kontinent hinweg verfolgt Eye die Mörderin, verwischt ihre Spuren, verhindert ihre Verhaftung, aber auch mögliches Glück mit einem blinden Millionär, für dessen Unfalltod er direkt verantwortlich ist. Geschickt verknüpft Elliott die biografischen Tragödien der beiden, lässt McGregor in seiner Imagination Gespräche mit seiner Tochter führen, mit der seine Frau vor Jahren verschwand. Wunsch nach Liebe und Geborgenheit, aber auch Todessehnsucht sind starke verbindende Motive in diesen Figuren, die dank beider Darsteller unter die Haut gehen. Auch Nebencharaktere bleiben im Gedächtnis haften, vor allem Genevieve Bujolds knallharte Psychologin, die Judd überleben half, sie in gewissem Sinne aber auch tötete, und „Beverly Hills 90210“-Veteran Jason Priestley, der als brutaler drogensüchtiger Psychopath konsequent gegen sein Image spielt. Viel zu bestaunen gibt es in diesem ungewöhnlichen, von der Regie mit eindrucksvollen Szenenübergängen und emotional sprechenden Bildarrangements geschmückten Psychothriller, dem man angesichts seiner Qualitäten gerne nachsieht, dass er schließlich kaum ein Ende findet. kob.