Eine großartige Riege an Schauspielern bietet Regisseur Bernd Böhlich in "Bis zum Horizont, dann links!" auf: Legenden der Leinwand im Altersheim. Allen voran Otto Sander als Tiedgen, ein rebellischer Geist, gebrochen durch die Routine der Hausordnung, durch Essenszeiten und abendlichem Lichtaus. Das Schachspiel mit Stronz (Ralf Wolter) ist der Langeweile geboren, einzige Freude ist die Seniorengymnastik: denn da beugt sich die Pflegerin Amelie (Anna Maria Mühe) gaaaanz weit vor.
Tiedgen ist ein sarkastischer, hellsichtiger alter Mann, gefangen in der Tretmühle seines letzten Lebensabschnitts. Als Frau Simon (Angelica Domröse) im Heim eintrifft, kennt er ihr weiteres Schicksal: Es ist für alle bequemer, wenn die Alten in der Seniorenresidenz mit dem etwas unpassenden Namen Abendstern sitzen; die Jungen können tun, was sie wollen, die Alten sind versorgt. Doch ein Leben ist dies nicht. Kann der Tod eine Lösung sein? Oder steckt die Erlösung ganz woanders, oben, über den Wolken, wo die Freiheit grenzenlos ist?
Ein Rundflug in einer antiken JU 52 für die Belegschaft eines Seniorenheims: Das hat natürlich mit der Lebenswirklichkeit wenig zu tun. Ebenso wie die zugespitzten Zeichnung des Lebens im Alter, unter strenger Regelung, die auf die Bedürfnisse der Menschen wenig eingeht da ist man (zumindest in den besseren Heimen, zu denen das im Film dargestellte zählen dürfte) inzwischen wohl weiter. Doch eine Komödie lebt natürlich von Karikaturisierung, Übertreibung, satirischer Pointierung; und vom Biegen des Wahrscheinlichen, bis die Glaubwürdigkeit aufs Komische stößt. Der Seniorentrupp in der Luft, begleitet von Schwester Amelie: Rumpelnd fahren sie auf in den Himmel. Und Tiedgen hat sich vorgenommen, alle ins Paradies zu bringen.
Stronz, der gemütliche Scherzkeks; Frau Simon, die Pragmatische, die ab und an einiges vergisst; Herr Miesebach (Herbert Feuerstein) als penibler Dauernörgler; Fanny, die ihren alten Tagen als gefeierte Schauspielerin nachtrauert: eine bunte Truppe ist unterwegs, und (fast) alle sind einverstanden mit der eigenen Entführung, inklusive dem Flugkapitän (Thilo Prückner) und dem Pilotenschüler (Robert Stadlober). Dass der sich auf den ersten Blick in Schwester Amelie verguckt, ist ein bisschen zu überbetont; während bei der Zwischenlandung in Wien zum Auftanken viel zu wenig aus der Situation gemacht wird, dass kurz darauf die Maschine der russischen Regierung landen soll. Für mehr als Witzchen über einen Wiener Kellner reicht es hier nicht.
Andererseits weiß der Regisseur gut mit seinen Alten umzugehen. Er macht seine Scherze mit ihnen, ohne sie bloßzustellen, und weiß genau, wieweit er die ständige Gefahr der Inkontinenz einfließen lassen darf, ohne dass es peinlich oder albern würde.
Eine fröhliche Reise ist dies, für die Senioren wie für den Zuschauer, eine Fahrt zum Platz an der Sonne, der jedem gebühren sollte. Eine leichte Sommerkomödie, in der nur gegen Ende ein paar Holprigkeiten im Erzähltempo irritieren. Das Beste ist eine grimmige Rede vom alten Tiedgen im Flugzeug, eine Ansprache an alle, die alt sind oder irgendwann mal alt werden: ein Plädoyer dessen, der nichts mehr zu verlieren hat.
Fazit: Die frische, gut besetzte Komödie "Bis zum Horizont, dann links!" handelt von einen Trupp Senioren, die nicht mehr so konform alt sein möchten, wie die Jungen es sich gerne wünschen.