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Attenberg

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Attenberg: Skurril angehauchtes Drama um eine junge Frau, die sich um ihren sterbenskranken Vater kümmert.

Poster Attenberg

Attenberg

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  • Kinostart: 10.05.2012
  • Dauer: 96 Min
  • Genre: Drama
  • FSK: ab 12
  • Produktionsland: Griechenland
  • Filmverleih: Rapid Eye Movies

Handlung und Hintergrund

Marina, 23, wächst bei ihrem Vater in einer Küstenstadt auf, die von der abweisenden Peripherie einer alten Industrieanlage umfasst wird. Sie hält sich von Menschen fern, hört Songs über Selbstmorde, schaut Dokus über Primaten von Sir David Attenborough und übt mit Freundin Bella fleißig Sexlektionen. Ihren Ekel vor dem männlichen Geschlecht vermag sie auch mit einem Bettgefährten nicht zu überwinden. Selbst bei Bella, mit der sie seltsame Marotten entwickelt und ihrem sterbenden Vater, den sie häufig im Krankenhaus besucht, wird sie kaum zugänglicher.

Darsteller und Crew

  • Ariane Labed
    Ariane Labed
  • Giorgos Lanthimos
    Giorgos Lanthimos
  • Evangelia Randou
  • Vangelis Mourikis
  • Kostas Berikopoulos
  • Michel Demopoulos
  • Athina Rachel Tsangari
  • Maria Hatzakou
  • Iraklis Mavroidis
  • Angelos Venetis
  • Christos V. Konstantakopoulos
  • Thimios Bakatakis
  • Sandrine Cheyrol
  • Matthew Johnson
  • Alex Kelly
  • Christina Akzoti

Bilder

Kritiken und Bewertungen

4,5
2 Bewertungen
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4Sterne
 
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3Sterne
 
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Kritikerrezensionen

    1. „Bin ich asexuell?“, fragt sich Marina, die kaum Kontakt zu Mitmenschen hat; die nicht begehrt, die nichts von anderen will. Nur mit dem Vater unterhält sie ein inniges Verhältnis – mit ihm bespricht sie so Einiges, auch Intimes, mit lakonischem und makabrem Witz, ohne das auf diese Weise theoretisch Durchgeplante je in irgendeine Praxis umsetzen zu wollen. Und sie hat eine Freundin, Bella, die hat Erfolg mit den Männern und gibt handfeste Tipps und Fantasien rund ums Körperliche zum Besten – wofür Marina sie liebevoll als kleine Hure tituliert.

      Marina nimmt nicht teil am Menschlichen; und betrachtet gerne im Menschlichen das Tierische. Die Tierdokus von Natur-Doku-Legende Sir Richard Attenborough, im Film als Attenberg verballhornt, faszinieren sie. Am meisten Aktion, Beweglichkeit, Körperlichkeit zeigt Marina im Tierhaften, wenn sie auf dem Sessel laut kreischt und mit den Händen vorm Gesicht schnäbelt wie die Albatrosse im Fernseher; wenn sie mit dem Vater sinnlose Reimwörter aneinanderreiht und unversehens in Wasservogel-Herumstelzen und Gorilla-Protzen hineinkommt. Oder wenn sie mit Bella durch die Straßen und Industriegebiete läuft, im Gleichtakt hopsend, die Beine vorwärts, rückwärts, seitwärts ausstreckt, als Mischung aus Tier-Schreiten und John CLeese als Minister für Silly Walks.

      Regisseurin Athina Rachel Tsangari zeigt Marina und ihr Leben auf dieselbe Weise, wie Marina ihr Leben sieht: distanziert, trocken, ironisch; ohne aktive Beteiligung. Oft mit langen Brennweiten aus der Entfernung gefilmt, in langen Einstellungen, oft statisch oder gleichförmig in einer Kamerafahrt am Geschehen entlanggleitend, hat sie ganz offensichtlich von Jarmusch und Kaurismäki gelernt; und schafft doch etwas Eigenes, einen ganz eigenen Humor, einen, der auch der Humor von Marina ist: die kühl analysierend sich und die Welt und das Verhältnis zwischen beiden auf den Punkt bringt, ohne gewollt schräg oder exzentrisch zu sein, ohne, dass filmisch noch zusätzliche Pointen gesetzt werden müssten.

      Bella erzählt einmal einen Traum über einen Penisbaum; Marina stellt sich den Vater nackt vor, aber als nichtsexuelles, schwanzloses Wesen; sie bewundert weibliche Brüste, ohne sie zu begehren, ihr gefallen Männer, ohne dass sie von ihnen geil würde. Einmal räsoniert der Vater über die gleichförmige Architektur von Häusern, die wie Trümmer hingestreut sind, und über Griechenland, das direkt vom Viehtreibertum unter Umgehung des industriellen Zeitalters im Heute der Nachmoderne angekommen sei. Wie der Film seine Figuren betrachtet, so betrachten sie ihre Welt; so, wie Attenberg seine Albatrosse und Gorillas beobachtet: als eine Seltsamkeit, an der man teilhaben will. „Tauscht man Blicke mit einem Gorilla, erlebt man wesentlich mehr gegenseitiges Verständnis und Bedeutsamkeit als bei jedem anderen Tier, das ich kenne“, sagt Attenborough in einer in „Attenberg“ zitierten Doku, „sollte es irgendwann die Möglichkeit geben, dem Menschsein zu entfliehen und in die Welt eines anderen Tieres einzutauchen, dann wäre es die des Gorillas.“ So, wie Attenberg vom Menschlichen ins Tierische wechseln möchte, gleitet Marina von der Beobachtung des Tierischen im Menschen ins Menschliche hinein. Und so darf Marina Bellas Brüste berühren, sich und ihre Reaktion darauf begutachten. Und gleich am Anfang, noch vor dem Vorspann, üben sie das Küssen vor einer wießen Rauhputzwand: den Mund aufgerissen, die Zunge rumschleckend, ein Schatzen und Schlabbern, dass es keine Lust ist.

      Der Vater ist krank, sein Sterben wird zum Teil von Marinas Leben – auch das ist ein weiteres Forschungsgebiet: ebenso wie der Kontakt zu dem Ingenieur, der auf Montage in der Gegend ist, der aus der Fremde kommt und im Hotel wohnt, für den Marina sich zu interessieren beginnt: neue Betätigungsfelder, neue Bereiche für ihre anthropologischen Studien – Neues auch, weil ihre eigene Beteiligung gefordert ist, ihre emotionale und ihre persönliche, weil das Schwinden des Vaters von ambulanter Therapie über stationären Klinikaufenthalt bis zur Bettlägerigkeit sie mitnimmt, weil sie mit dem Fremden Körperlichkeit und Sexualität nicht nur aus Neugier, sondern auch aus eigenem inneren Wollen erfährt. Dass sie sich dabei selbst heilt, dass sie hineinkommt in das „Normal-Menschliche“, und dass ihre Seele dabei nicht leidet: das bewirkt die Leichfüß0igkeit des Films – für den Marina-Darstellerin Ariane Labed auf dem Filmfestival von Venedig 2010 den Darstellerpreis gewann; es macht seinen subtilen, unterspielten Witz aus.

      Regisseurin Tsangari ist Teil einer Neuen Welle des griechischen Films, in der mit melancholischer Komik, mit beiläufiger Trefflichkeit und mit stilisierter Genauigkeit den Bedingungen des Menschseins nachgespürt wird – auch „Alpen“ wird demnächst hier ins Kino kommen, von Tsangari produziert und inszeniert von Yorgos Lanthimos, der in „Attenberg“ den Fremden spielt, in den sich Marina als Frau ausprobieren kann.

      Fazit: "Attenberg" ist eine behutsame Annäherung ans Menschliche - eine Art filmische Anthropologie, die mit viel lakonischem und trockenem Humor daherkommt.
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    2. Attenberg: Skurril angehauchtes Drama um eine junge Frau, die sich um ihren sterbenskranken Vater kümmert.

      Das griechische Drama um eine junge Frau, deren kranker Vater stirbt, während sie ihre Sexualität entdeckt, ist ähnlich skurril wie „Dogtooth„.

      Formalistische Filmkunst aus Hellas: Die zoologischen Betrachtungen einer 23-Jährigen beim Erforschen ihrer Sexualität und dem Sterben ihres Vaters knüpfen an „Dogtooth“ an, der 2011 für den Auslands-Oscar nominiert war. Giorgos Lanthimos provokanter Arthaus-Hit hat den Weg für - überaus experimentierfreudiges - Kunstkino geebnet: Ähnlich schräg, aber nicht so grimmig wie Lanthimos, der als Produzent fungiert und eine Nebenrolle spielt, fokussiert Athina Rachel Tsangari in ihrem Frauenfilm der bizarren Sorte auf eine junge Misanthropin, dargestellt von Ariane Labed, die für ihre Leistung in Venedig ausgezeichnet wurde.

      Griechenlands Vorschlag für den Auslands-Oscar 2012 widmet sich mit anthropologischem Interesse, Absurditäten à la Monty Python und dem Duktus deutscher und französischer Autorenfilme einem Mädchen, das bei seinem kranken Vater in einer abweisenden Küstenstadt mit angrenzender Industrie-Wüste aufwächst. Marina ist inspiriert von David Attenboroughs (daher der Titel „Attenberg“) BBC-Tierserie über das Verhalten wilder Tiere. Sie erkundet fremde und eigene Sexualität mit der wissenschaftlichen Kühle einer Primatenforscherin, wobei sie sich oft genug selbst in ihr Forschungsobjekt zu verwandeln scheint - und minutenlang einen wahren Affentanz aufführt. Sie tauscht Zungenküsse mit ihrer Freundin Bella oder spuckt mit ihr um die Wette, liefert sich Wortspiel-Duelle mit ihrem Vater, hört Songs der programmatischen Band „Suicide“, singt Schlager von Françoise Hardy mit oder vollzieht mit Bella im Partnerlook Auftritte, als kämen sie direkt von Monty Pythons „Ministry of Silly Walks“.

      Dabei zeigt Marina sprödes, gefühlsarmes, regressives Verhalten - sie ist mit ihrem Ekel vor Männern und dem baldigen Tod ihres Vaters überfordert. Ob ihr jede Liebesfähigkeit und Sinnlichkeit abgeht, sei dahingestellt, jedenfalls vermag sie sie nicht adäquat auszudrücken. Und das beobachtet Tsangari aus stilstrenger Distanz. Nichts bringt ihr schleppendes Tempo aus dem Takt, existenzialistisch-düster wie Sartre und oft surreal registriert sie die Experimente der jungen Frau auf der Suche nach ihrer Identität. Dieses Coming-of-Age, das sein Soziotop ironisiert und in Gestalt des Kunstfilms auftritt, gehört zur international beachtenswerten New Wave of Greek Cinema. tk.
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